Im Gymnasium Sankt Matthias im Wolfratshauser Stadtteil Waldram hat in der vergangenen Woche das neue Schuljahr begonnen, so wie in allen anderen bayerischen Schulen auch. Ein neues Schuljahr in einem neuen Schulgebäude, durch das künftig der besondere Geist von Sankt Matthias wehen soll. Denn diese Schule steht insgesamt für den Neubeginn: 1927 gegründet, um sogenannten Spätberufenen den Weg zum Priesteramt zu ebnen, ist Sankt Matthias inzwischen die älteste Institution des zweiten Bildungsweges in Bayern.
Dort beginnen die Schüler des Gymnasiums eine zweite Schulkarriere, die meist direkt von Haupt- oder Realschule kommen und in Waldram das Abitur machen können. Sie lernen in Waldram zusammen mit den Schülern des ebenfalls drei Jahren dauernden Kollegs, die alle schon einen Beruf gelernt und sich danach noch mal für die Schule entschieden haben. Dieses „Sich-entschieden-haben“ trägt nach Ansicht von Schulleiter Claus Pointner viel zur besonderen Atmosphäre von Sankt Matthias bei, ebenso das Alter der Schüler, das in der Regel zwischen 16 und 30 Jahren liegt.
Der Geist der Schule, die über eine Stiftung vom Erzbistum München-Freising getragen wird, ist zwar eindeutig ein katholischer, doch unter den Schülern sind auch Protestanten, Muslime oder Bekenntnislose. Sie müssen keine Heiligen sein und auch keine mustergültigen Schulkarrieren hinter sich haben, sagt Pointner. Aber sie müssen nach Waldram passen. Ob dem so ist, versucht der Schulleiter in persönlichen Vorstellungsgesprächen herauszufinden. 90 solcher Gespräche hat er vor diesem Schuljahr geführt, 63 neue Schüler haben danach begonnen – ein Rekord für die Schule, die bewusst bei 160 Schülern bleiben wollte, obwohl der Neubau auf 180 ausgelegt ist.
In dem gibt es sogar ein Klassenzimmer ohne Videobeamer – nicht weil das Bistum bei stolzen 10,6 Millionen Baukosten an irgendetwas hätte sparen wollen, sondern weil der Unterrichtsraum für maximal acht Schüler so klein ist, dass ein an die Wand projiziertes Bild auch nicht größer wäre als das direkt am Bildschirm. Die Klassen bleiben also auch im Neubau nach staatlichen Maßstäben klein, worauf Pointner einige pädagogische Erfolge ebenso zurückführt wie den Umstand, dass man die viele Jahre alten Schultische vollkommen unbekritzelt und nahezu neuwertig in den Neubau hat tragen können.
Diesen nun exakt im Zeit- und Kostenrahmen vollendeten Neubau hat Schulleiter Pointner schon als Holzmodell zu sehen bekommen, als er im Jahre 1983 als junger Lehrer in Waldram angefangen hat. Seither sind viele Jahre ins Land gezogen, das Bistum hat angesichts des immensen Sanierungsbedarf ins Waldram andere Standorte prüfen lassen und sich 1999 doch fürs Bleiben entschieden. Die neue Waldramer Pfarrkirche Sankt Josef der Arbeiter samt dem Pfarrhaus war da gerade ein Jahr geweiht, und die alte wurde dann die Aula von Sankt Matthias, der später zwei Seitentrakte für das Seminar und die Verwaltung zur Seite gestellt wurden. Geplant hat dieses geistliche und städtebauliche Zentrum Waldrams von Anfang an das Münchner Büro Claus & Forster, das der kleinteiligen und spitzgiebligen Siedlung über die Jahre eine moderne Mitte gegeben hat. Auch Architekt Wilfried Claus lobt das Miteinander bei dem Projekt, weshalb die Schule seiner Erwartung nach auch in ein paar Jahren noch so aussehen wird wie von ihm entworfen, was zum Leidwesen der Architekten durchaus nicht immer der Fall sei.
Um seinen mit dem Neubau leicht verschobenen Seminarplatz kreiste Waldram schon, als der noch „Adolf-Hitler-Platz“ hieß und das Zwangsarbeiterlager dominierte, das die Nationalsozialisten für die Rüstungsbetriebe im heutigen Geretsried anlegen ließen. Nach dem zweiten Weltkrieg lag dann der „Roosevelt Square“ mitten im Lager Föhrenwald, von dem aus viele Juden nach und nach wieder in ein menschenwürdiges Leben aufbrachen. 1956 kamen die ersten neuen Siedler ins heutige Waldram. 1957 zog das Seminar Sankt Matthias aus Fürstenried dort hin.
Diese Geschichte ruft heute eine Installation des Künstlerpaars Lutzenberger und Lutzenberger aus buntem Plexiglas in Erinnerung. Sie akzentuiert den transparenten Trakt, der die neuen Schule mit dem Seminar verbindet. Deren Parallelstruktur gibt es seit 1971, als die Seminaristen weniger wurden und das Bistum Sankt Matthias auch für externe Schüler öffnete. Heute wohnt die Mehrzahl der Schüler in eigenen Wohnungen, nur noch 30 Seminaristen leben im spirituell geprägten Seminar. In den vier Jahren, in denen Pfarrer Martin Schnirch das Seminar nun leitet, haben sich immerhin noch vier Seminaristen nach der Schule für das Priesterseminar entschieden, ein weiterer schloss sich einem Mönchsorden an.
Die ehemaligen Waldramer halten zu ihrer alten Schule meist eine intensive Verbindung, und so zählt ihr Verein weit mehr als 400 Mitglieder. Sie sind am Samstag, 22. Oktober, zur Feier der neuen Schule eingeladen, einen Tag später ist Tag der offen Tür für die Waldramer Nachbarn und alle anderen Interessierten. In aller Form und Feierlichkeit eingeweiht wir das Haus vom Erzbischof höchstselbst. Kardinal Reinhard Marx wird dazu am Montag, 17. Oktober, in Waldram erwartet und in „Sankt Josef der Arbeiter“ eine Messe zelebrieren.
Matthias Kopf
Quelle: Wolfratshauser SZ, Nr. 229, vom 05.10.2011, S. R 3
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