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Jungfräulichkeit: Um Himmels willen!

Predigt am 4. Sonntag im Jahreskreis Lj. B – gehalten von Pfr. Martin Schnirch am 29.01.2012 in Waldram

Liebe Schwestern und Brüder!

Ist das nicht eine Provokation für alle Eheleute?
Der Verheiratete ist „geteilt“?
Sind die verheirateten Männer und Frauen weniger wert
als die unverheirateten?

Ist die Ehe also etwas für die,
die es nicht schaffen
ohne Frau oder Mann zu leben?

Der Teil aus dem ersten Korintherbrief,
den wir vorhin gehört haben,
trägt in der Einheitsübersetzung die Überschrift
„Ehe und Jungfräulichkeit“.

Und ganz richtig,
kann und will dieser Text Anlass dazu geben,
über Ehe und Jungfräulichkeit als Lebensstile nachzudenken.

Jeder muss sich irgendwann in seinem Leben
für einen Lebensstil entscheiden.
Jeder muss irgendwann sagen:
Ich will heiraten,
Familienvater oder -mutter werden,
oder: Ich will als Priester,
Ordensmann oder -frau in einer Gemeinschaft leben.
Oder: ich will oder muss unverheiratet bleiben
und allein leben
– wie auch immer.

Nicht selten werden in Diskussionen
diese verschiedenen Möglichkeiten
nicht nur nebeneinander gestellt
oder einander gegenüber gestellt.
Manchmal werden sie auch gegeneinander aufgewogen:
Die eine sei dem Menschen angemessener
oder die andere dem, der Jesus nachfolgen will, entsprechender.

Allein die Diskussion über den Zölibat
scheint ja nicht abzureißen.
Ich möchte diese Diskussion hier gar nicht weiterführen.

Stattdessen möchte ich den Blick
auf einen scheinbaren Nebensatz lenken,
den Paulus an die Korinther schreibt:

„Das sage ich…,
damit ihr in
rechter Weise und ungestört
immer dem Herrn dienen könnt.“ (1Kor 7,35)

Paulus will den Christen in Korinth keine Bürde aufbinden,
sondern helfen,
dass sie frei sein
und in rechter Weise und ungestört
immer dem Herrn dienen können. (vgl. 1 Kor 7,35)
Auch der übrige Text des ersten Korintherbriefes
macht das deutlich.

Es geht Paulus darum,
dass wir Christen ganz Christus dienen sollen
und können.

In egal welcher Lebensform,
der Ehe oder einer ehelosen Lebensform,
geht es darum,
ganz Christus zu dienen.

Dass der Unverheiratete dazu wahrscheinlich mehr Freiheit hat,
als der, der sich in der Ehe an seine Frau und Familie gebunden hat
und „ihr gefallen“ will (vgl. 1 Kor 7,33),
ist logisch.

Doch auch der Verheiratete soll vor allem Christus dienen.

Und der, der sich für die Ehelosigkeit entscheidet,
muss sich ebenso fragen:
Will ich Christus dienen?
Oder ist es einfach offensichtlich leichter und freier Single zu sein?
Übrigens bedeutet Ehelosigkeit nicht unbedingt Single!

Vor über 21 Jahren habe ich bei meiner Diakonenweihe
die Ehelosigkeit um des Himmelreiches Willen versprochen.
Und je länger ich in dieser Lebensweise lebe,
umso mehr lerne ich,
dass es darauf ankommt,
dem Herrn
– Christus –
zu dienen.

Mein geistlicher Begleiter,
der mich auf die Idee gebracht hat, Priester zu werden,
hat mir oft gesagt:
„Du musst wissen und merken, dass Jesus dich liebt.“
Ich habe das als Jugendlicher nicht wirklich verstanden.
Doch heute weiß ich, was er damit gemeint hat:
Ich darf und muss wissen,
dass mich Jesus Christus ganz in seiner Hand hält,
hält und trägt,
und dass alles, was ich tue,
ein Dienst an IHM ist
oder zumindest sein soll.

Um für diesen Dienst frei zu sein,
freier als es ein Verheirateter sein kann,
kennt die Kirche die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen
und die Jungfräulichkeit.
Dabei geht gar nicht darum, allein zu leben,
ohne Bindung an andere Menschen.
Und es geht erst recht nicht darum,
nicht Mann oder Frau zu sein.
Im Gegenteil.
Auch ein zölibatär lebender Mann will und kann Vater sein.
Freilich nicht im körperlichen,
doch aber im geistlichen Sinn.

Es geht also um die Freiheit für Christus.
Die kann übrigens auch durch andere Dinge
als durch Frau und Kinder eingeschränkt werden.

Ich erlebe immer wieder,
wie sich fixe Ideen,
eigene Wünsche und Vorstellungen,
die Arbeit
und viele andere Dinge in die Beziehung zu Christus einmischen,
ja sie zu verdrängen suchen
und so die Freiheit für Christus rauben können.

Also ist auch der Unverheiratete,
der Zölibatäre,
nicht davor gefeit,
seine Freiheit für Christus
zu verlieren.

Obwohl,
oder vielleicht gerade weil ich zölibatär zu leben versuche,
habe ich allergrößten Respekt
und allergrößte Hochachtung
vor den Eheleuten, die versuchen als Ehemann und Ehefrau,
als Vater und Mutter
frei für Christus zu sein, wirklich ein christliches Leben zu führen.

Sie müssen versuchen,
obwohl da ja die Freuden und Sorgen der Partnerschaft
und des Familienlebens ständig leibhaft vor ihnen stehen,
die Freiheit für Christus zu behalten.
Ich kenne beeindruckende Männer und Frauen,
die das leben.

Und ebenso wie diese stellen zölibatär Lebende,
Ordensfrauen und -männer,
gottgeweihte Jungfrauen
und Menschen, die noch auf der Suche nach ihrer Lebensform sind,
Christus an die erste Stelle.

Dabei muss klar sein, dass
weder die Ehe
die Lebensweise für Leute ist,
die nicht ohne Partner leben können,
noch ist die Ehelosigkeit
die Lebensform für Leute,
die zur Ehe unfähig sind.

Vielmehr ist es Aufgabe aller Christen,
egal welchen Standes,
„immer dem HERRN zu dienen“. (vgl. 1 Kor 7,35)
Also frei zu sein für IHN.

Das ist es,
was die Kirche mit dem Begriff „Jungfräulichkeit“ in seiner Tiefe meint.
Kann nicht auch ein Verheirateter „jungfräulich“ leben?

Der Begriff „jungfräulich“ klingt heute sehr eingeschränkt auf Sexualität.
Dabei geht es zuerst um etwas ganz anderes:
Um die Freiheit für Christus,
um die Unbedarftheit
und Unvoreingenommenheit
für die Begegnung
und das Leben mit IHM.

Wenn ein Mann und eine Frau
miteinander die Ehe eingehen,
dann wird ihnen die Frage gestellt,
ob sie bereit sind,
Christus in ihre Beziehung mit hinein zu nehmen.
Und wenn einer zum Priester geweiht wird,
wird er gefragt,
ob er Christus an die erste Stelle stellen will.
Und wenn jemand ein Ordensgelübde
oder die Jungfrauenweihe ablegt,
dann ist ebenfalls die wichtigste Frage:
Willst du Christus an die erste Stelle in Deinem Leben stellen?

So sind christliche Ehe und ehelose Lebensformen
immer der Versuch
einer positiven Antwort auf die Frage:
Soll Christus die Mitte Deines Lebens sein?

Deshalb müssen wir uns alle immer wieder fragen:
Diene ich immer dem HERRN?
Bin ich frei für Christus?

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Die Gesichter der heiligen Drei Könige

Mich beeindrucken die drei Sterndeuter, die wir auch die heiligen drei Könige nennen. Von ihnen berichtet die Bibel, dass sie einen Stern haben aufgehen sehen und ihm gefolgt sind (Matth 2).

Es wird nicht berichtet, dass die anderen Zeitgenossen diesen Stern wahrgenommen hätten.
Doch die drei Fremden haben ihn gesehen,
haben sich auf den Weg gemacht und
sind dem Stern gefolgt.
Offensichtlich muss diesen Männern aufgegangen sein,
dass sich etwas außerhalb ihres bisherigen Horizontes aufgetan hat,
für das es sich lohnt,
einen weiten Weg in Kauf zu nehmen.
Sie müssen gespürt haben:
Da ist etwas, für das es sich zu leben lohnt.
Da ist ein Star, der mehr verspricht
als die Sternchen, die man sonst so kennt.

Mich beeindrucken die drei Weisen aus dem Morgenland,
weil ich in ihnen Menschen entdecke,
die etwas Neues wagen und
ihrem Leben eine neue Richtung geben.

Sie achten dabei nicht darauf,
was die andern denken könnten.
Vielmehr haben sie die Gewissheit,
dass der Stern sie zum wahren Leben führt.

Mich beeindrucken die heiligen drei Könige,
weil sich in ihren Gesichtern die Gesichter von Menschen widerspiegeln,
die es ebenso gemacht haben wie sie.

Ich sehe das Gesicht eines jungen Mannes,
der verstanden hat, dass Gott ihn zum Priester berufen hat
und der dafür seinen angesehenen Beruf aufgegeben hat
und sich nochmals an die Schulbank setzt.

Ich sehe das Gesicht eines Jugendlichen,
der in Drogen und Kriminalität geraten war,
der aber inzwischen verstanden hat,
dass der Glaube an Gott ihm wieder neu Sinn, Halt und Richtung für sein Leben gibt,
und der mir sagte: „Ohne Gott kann ich nicht mehr leben.“

Ich sehe das Gesicht eines Krebspatienten,
der in seiner bereits zweiten Therapie endlich verstanden hat,
dass das Leben nicht nur aus Geben und Für-Andere-Dasein besteht.
Der eine gesunde Liebe zu sich selbst gefunden hat
und nun auf dem Weg der Heilung gute Fortschritte macht.

Ich sehe das Gesicht eines Mannes und das Gesicht einer Frau,
die sich auf die Geburt ihres ersten Kindes freuen,
obwohl beiden klar ist,
dass dieser kleine Mensch ihr ganzes Leben durcheinanderbringen
und ihre Beziehung radikal verändern wird.

Ich sehe das Gesicht einer jungen Abiturientin,
die mutig mit einem Studium beginnt,
obwohl sie noch nicht weiß, ob sie es schaffen wird
und wie die Zukunft aussieht.

Ich sehe das Gesicht einer alten Frau,
die selbst fast an der Armutsgrenze lebt,
die aber großzügig von dem wenigen, was sie hat,
an andere weitergibt.

All diese Menschen haben die Erfahrung machen können,
die auch die drei Sterndeuter machten:
Weil sie dem Stern gefolgt sind,
haben sie zum lebendigen Gott gefunden.

Ich wünsche Ihnen,
dass auch Sie den Stern aufgehen sehen
und ihm folgen können,
so wie die heiligen drei Könige.

Martin Schnirch
Seminardirektor

Quelle: Isar-Loisachbote, Nr. 4, 5./6. Januar 2012, S. L4

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Was braucht es wirklich für Weihnachten?

Predigt  im Adventsgottesdienst der Schule,
gehalten von Pfr. Martin Schnirch am 23.12.2011 in St. Matthias Waldram

Lesung: Mal 3, 1-4.23-24 (vom Tag)
Evangelium: Lk 1, 26-38 (vom 4. Adventssonntag)

Liebe Schwestern und Brüder!

Morgen ist Heilig Abend.

Haben Sie schon alles,
was man dafür braucht?

Steht der Weihnachtsbaum schon?
Sind die Geschenke alle besorgt,
die Post erledigt,
das Essen eingekauft?

Ist der Ablauf des Heiligen Abends geklärt?
Wann ist die Bescherung?
Wann geht man in den Gottesdienst?
Was wird man etwas singen?
Gibt es einen Text, den einer vorließt?

Was fehlt noch,
damit es Weihnachten werden kann?

Damit dann nichts fehlt,
frage ich mich heute:
Was braucht es denn,
damit es Weihnachten werden kann?

Schauen wir uns die erste Weihnachtsvorbereitung überhaupt an:

Lukas berichtet in seinem Evangelium (Lk 1,26-38) davon:
Der Engel wird nach Nazareth zu Maria gesandt
und erklärt ihr,
dass sie Jesus,
den Sohn Gottes,
auf die Welt bringen soll.

Nach einer Rückfrage ihrerseits
und der Antwort des Engels:
„… für Gott ist nichts unmöglich“ (Lk 1,37)
gibt Maria ihre Zusage:

„… mir geschehe wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38).

Die Vorbereitung auf das erste Weihnachten besteht darin,
dass Gott ausrichten lässt,
dass er seinen Sohn – Jesus – in die Welt schicken will
und darin, dass ein unbedeutendes junges Mädchen
in einer noch unbedeutenderen Kleinstadt in Galiläa
ja zu dem sagt, was Gott mit ihr vor hat.

Ohne diese Ankündigung Gottes
und ohne diese Zusage eines einfachen jungen Menschen
wäre es nicht
zum ersten Weihnachten damals in Bethlehem gekommen.

Für heute gilt das Gleiche:

Ohne die Zusage Gottes, dass er hier Mensch werden wird,
und ohne die Zusage einfacher Menschen,
ohne die Zusage von Ihnen und mir,
dass wir geschehen lassen, was Gott von uns will,
kann und wird es nicht wirklich Weihnachten werden.

Stellen Sie sich nur einfach vor,
Maria hätte damals gesagt:
„Ich hab keine Zeit!“,
oder „Ich hab keine Lust!“,
oder „Ich hab’ was anderes vor!“.

Weihnachten wäre nicht geschehen.

Und stellen Sie sich vor,
Sie und ich würden heute sagen:
„Ich hab keine Zeit!“,
oder „Ich hab keine Lust!“,
oder „Ich hab’ was anderes vor!“

Wie sollte dann heute Weihnachten geschehen?
Wie sollte dann heute Jesus in die Welt kommen?

Wenn heute über Weihnachtsbaum,
Weihnachtsgeschenke,
Weihnachtspost,
Bescherung
und Weihnachtslieder hinaus
wirklich Weihnachten geschehen soll,
dann kann es nur geschehen,
wenn Menschen sagen:
Gott, ich mache mit,
ich tu meinen Teil dazu,
damit Jesus auf die Welt kommen kann.

Maria war der erste Mensch, des das so deutlich gesagt hat.
Wir haben davon im Evangelium gehört.

So ist Maria mit ihrem JA Vorbild für uns geworden.

Wir haben in der Adventszeit
hier bei uns im Seminar
eine Marienfigur von Einem zum Anderen wandern lassen.

Dieser Brauch
– man nennt es das Frauentragen –
sollte jeden persönlich daran erinnern:

Jesus will auch zu Dir kommen.

Er will in Deinem Leben,
da, wo Du lebst,
in Deinem Zimmer,
in Deinem Umfeld
lebendig sein.

Heute kommt die Figur von Maria hier her in die Kirche
um uns alle noch einmal daran zu erinnern.

Es soll Weihnachten werden.
Gott will hier bei uns in unserer Schulgemeinschaft lebendig sein.

Dass das gelingt hängt auch an uns.

Nun werden Sie vielleicht sagen:
In unsere Welt soll Gott kommen?

Wo doch so viel Schlechtes,
soviel Not
und so viele Sorgen in dieser Welt sind.

In der Tat!

Not und Sorgen sind allgegenwärtig.

Aber gerade hier hinein,
dahin, wo Not und Sorgen sind,
will Gott kommen.

Jesus wird in einem Stall geboren
und in eine Futterkrippe gelegt.

Vermutlich ist keiner von uns
in einem Stall zur Welt gekommen.

Vermutlich hatte jeder von uns ein Kinderbett,
das nicht vorher schon als Futtertrog gedient hat.

Das Stroh in der Krippe in Bethlehem
ist ein Symbol für die Not und die Sorgen dieser Welt.

Gerade da hinein wird Jesus Christus geboren.

Gott begibt sich gerade da hinein, wo Sorgen, Ängste, Leid und Not ist.

Deshalb wird nun auch die Krippe herein getragen,
mit den Zetteln
auf denen Sie am Mittwoch Ihre Bitten und Sorgen,
Ihre Anliegen, zu Papier gebracht haben.

Liebe Schwestern und Brüder!

Was braucht es,
damit wirklich Weihnachten werden kann?

Damit nicht nur X-Mass
oder „Das Fest“
oder „die Weih-Nacht“,
sondern Weihnachten, wie es wirklich gedacht ist
werden kann?

Es braucht vor allem Menschen,
die Ja dazu sagen,
dass Gott in ihre Welt kommt.

Maria ist das erste Beispiel dafür.

Und es braucht die erlösungsbedürftige Welt,
in die hinein sich Gott begeben kann,
so wie das Jesuskind, das in unsere Krippe gelegt wird.

Ich wünsche Ihnen ein frohes,
gesegnetes, befreiendes,
echtes Weihnachtsfest.

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Wir wie Johannes der Täufer

Predigt am dritten Adventssonntag B

Gehalten von Pfr. Martin Schnirch am 11.12.2011 in St. Matthias, Waldram

DU!“

„Wer bist DU?“

So fragen die Priester und Leviten Johannes den Täufer.

„Wer BIST du?“

ICH?“

„ICH bin nicht der Messias!“

„Nein, auch nicht Elia!

Nein, auch nicht der Prophet!“

„Wer bist DU denn dann?“

„Ich bin die Stimme, die in der Wüste ruft:
Ebnet den Weg für den Herrn!“ (Joh 1,23)

Und als die Pharisäer weiterbohren sagt Johannes:

„Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt
und der nach mir kommt;

ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren.“ (Joh 1,26f)

Liebe Brüder und Schwestern!

Johannes der Täufer,
die große Gestalt des Advents,
steht auf den ersten Blick im Mittelpunkt des Evangeliums
vom dritten Adventssonntag.

Johannes der Täufer, der der große Fingerzeiger ist.

Mattias Grünewald hat ihn im Isenheimer Altar
in beeindruckender Weise dargestellt.

Sein riesiger Zeigefinger deutet auf Jesus am Kreuz.

Und genauso deutet Johannes der Täufer im Evangelium
unüberhörbar und unübersehbar auf Christus.

Als er gefragt wird wer er sei,
sagt er nicht
„Ich bin Johannes der Täufer!“

Er sagt nur sehr deutlich,
wer er NICHT ist:

NICHT der Messias, NICHT Elia, NICHT der Prophet.

Und als er gefragt wird,
weshalb er tauft, wenn er all das NICHT ist,
bleibt er die Rechtfertigung schuldig.

Er spricht nicht von sich,
sondern zeigt nur auf den, den er verkünden soll:
der mitten unter euch steht,
den die Leute nicht kennen
und dem die Schuhe aufzubinden Johannes selbst nicht würdig ist.

Johannes ist der große Fingerzeiger Jesu.

Der lebendige Hinweis auf Christus.

Er selbst,
obwohl er eine beeindruckende Gestalt gewesen sein muss,
tritt in den Hintergrund
und tritt – später dann – ganz von der Bühne des Evangeliums ab,
um Jesus Christus Platz zu machen.

Johannes ist nur der Wegbereiter,
nur der Vorläufer.

Ich finde es beeindruckend,
wie das Matthias Grünewald dargestellt hat:

die Hand mit dem beinahe überdimensionalen Finger
und die riesigen Füße.

Fest steht er mit beiden Beinen auf dem Boden.

Und sein Lebensmotto,
„Illum oportet crescere, me autem minui“
„Er muss wachsen, ich aber muss kleiner werden“
ist seine deutliche Botschaft.

Johannes ist ganz der Zeiger auf IHN,
auf Christus.

Liebe Schwestern und Brüder!

Im Advent stellt uns die Kirche Johannes den Täufer vor Augen,
weil er auf Christus zeigt.

Da ist der Christus noch nicht zu sehen.

Johannes aber sieht ihn schon.

Johannes zeigt ihn schon:

„Mitten unter euch steht er.“

Johannes kennt ihn schon,
„aber ihr (Pharisäer) kennt ihn nicht.“

„Und deshalb seht ihr ihn auch nicht!“

Doch Christus ist schon da!

Mitten unter den Menschen.

Auch wenn die Menschen ihn noch nicht kennen.

Auch wenn die Menschen ihn noch nicht sehen.

Auch wenn die Menschen vor ihm die Augen verschließen.

Er ist schon gekommen
und hat sich mitten unter ihnen hingestellt.

„Mitten unter euch steht ER.“

ER ist schon zu euch gekommen
und hat einen Platz mitten unter euch Menschen eingenommen.

Ihr bräuchtet ihn nur kennenlernen.

Ihr bräuchtet nur Eure Augen aufzumachen,
dann würdet ihr IHN sehen.“

Öffnet Eure Augen für Christus!

Öffnet Eure Herzen für Christus!

Öffnet Eure Welt für Christus!“

So könnte die Botschaft Johannes des Täufers auch heute lauten.

Liebe Schwestern und Brüder

Die Welt sieht Jesus Christus,
– seine Gegenwart –
oft nicht,
weil es –  auch in der Kirche – zu wenige Menschen gibt,
die – wie Johannes der Täufer – auf Christus zeigen.

Es gibt unzählig viele, die auf sich selber zeigen:

„Schau mich an, wie toll ich bin!
Bin ich nicht der Nabel der Welt?
Bin ich nicht der Beste?
Bin ich nicht in der Lage mich am eigenen Schopf
   aus dem Schlamassel zu ziehen?“

Und es gibt unzählige, die auf die Anderen zeigen:

„Schau die an!

Solche können wir nicht brauchen!

Schau die Frommen an!

Schau die Unfrommen an!

Schau die Sünder an!

Schau die Selbstgerechten an!“

Wenn es mehr Menschen gäbe,
die – wie Johannes der Täufer –
auf Christus zeigten,
dann würden IHN mehr Leute entdecken.

Unsere Zeit – unsere – Kirche
braucht Fingerzeiger für Jesus Christus.

Unsere Zeit braucht Menschen,
die Christus schon erlebt haben,
die wissen, dass er schon mitten unter uns da ist
und die sich trauen, auf IHN zu zeigen.

Unsere Zeit braucht Menschen wie Sie und mich,
die Jesus schon erfahren haben
und die Andere auf IHN hinweisen.

Woran kann man sehen, dass Jesus da ist?

Man kann ihn sehen:
wenn Freude da ist,
wenn gelebte gegenseitige Liebe da ist,
wenn Menschen sich getragen wissen,
wenn Menschen über sich hinaus wachsen,
wenn Menschen Trost und Hilfe erfahren,
wenn aus dem Miteinander mutige Ideen entstehen.

Man kann Jesus in mitten seiner Gläubigen sehen,
nicht mit den Augen des Körpers,
aber mit dem Gespür und den Augen der Seele.

Ich bin überzeugt,
dass jeder und jede von uns IHN schon einmal erfahren hat.

Und dass jeder und jede auf IHN zeigen könnte,
der schon mitten unter uns da ist.

Wir brauchen nicht auf sein Kommen zu warten.

ER IST schon da!

Er ist DA, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind.

Wenn wir heute in seinem Namen hier zusammen sind,
dann ist er da,
das hat er versprochen.

Wollen wir ihm etwa unterstellen,
dass es leere Versprechungen macht?

Wenn wir in unserem Haus in seinem Namen versammelt sind,
dann ist ER DA!

Und wenn Sie in ihrer Familie in seinem Namen versammelt sind,
dann ist ER DA!

Da brauchen wir keine Angst vor dem Bösen zu haben,
keine Angst vor der Zukunft,
keine Angst vor dem Versagen,
nicht einmal mehr Angst vor dem Tod,
denn Jesus Christus ist da
und hat all das überwunden!

Ich wünsche uns,
jedem Einzelnen und der Kirche,
dass uns das immer klarer wird.

Dass wir nicht wie die Pharisäer,
IHN nicht kennen und nicht sehen.

Sondern wie Johannes der Täufer auf IHN zeigen,
der mitten unter uns da ist.

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Christen als Türhüter

gehalten von Pfr. Martin Schnirch am 27.11.2011 in St. Matthias Waldram

Liebe Brüder und Schwestern!

Stellen Sie sich vor,
Sie sind Verantwortlicher für ein großes Haus,
in dem viele Menschen leben und arbeiten,
in dem viele Menschen
– einfache Leute ebenso wie bedeutende Persönlichkeiten – 
ein- und ausgehen.

Nun müssten Sie als Verantwortlicher für dieses Haus
einen Pförtner anstellen.

Einen Portier, der – oder die – am Eingang des Hauses steht,
an der Rezeption,
und Tag für Tag die Ein- und Ausgehenden begrüßt,
bedient, berät und verabschiedet.

Was würden Sie als Anforderungen an einen Bewerber
in die Stellenanzeige schreiben?

Wie müsste der Bewerber sein,
den Sie sich dann anstellen?

Er müsste mit Menschen umgehen können.
Ein sympathisches und gewinnendes Wesen haben.
Menschenkenntnis bräuchte er genauso
wie gute Umgangsformen.
Ein entschiedenes Auftreten.
Er müsste sich auch trauen,
jemanden von der Tür zu weisen.
Aber sich meist so verhalten können,
dass sich die Menschen
gleich vom ersten Moment in diesem Haus wohlfühlen.

Er müsste möglichst schnell DIE kennen können,
die zum Haus gehören.
Er müsste eine gute Auffassungsgabe haben
und um das wissen, was im Haus vor sich geht.
Gleichzeitig müsste er die nötige Diskretion,
die Verschwiegenheit besitzen,
über die Vorgänge und die Personen im Haus
nichts nach außen dringen zu lassen.

Kurz gesagt: Er müsste die nötige Wachsamkeit besitzen.

In dem Gleichnis, das Jesus uns heute erzählt,
setzt der Hausherr genau einen solchen Türhüter ein.

Einen Ostiarier, oder auch Janitor,
wie es in der damaligen Zeit üblich war.

Direkt am Eingang des Hauses
lag seine „cella ostiaria“, sein eigener Raum,
von dem aus er den Eingang bewachen und seinen Dienst tun konnte.

Meist setzte man Slaven dafür ein.

In der Kirche kannte man diesen Dienst auch lange Zeit.
In der frühen Kirche war er selbstverständlich,
weil sich die Christen ja in den Häusern trafen.

Und er war notwendig,
um darauf zu achten,
dass während der Eucharistiefeier kein unberechtigter das Haus betrat
und um vor möglichen Verfolgern zu warnen.

Seit dem 3. Jahrhundert
ist dieser Dienst in der römischen Kirche nachweisbar.

Und bis nach dem Zweiten Vaticanum
gab es als erste Stufe der niederen Weihen den „Ostiarier“.

Im Evangelium des Ersten Adventssonntags
nennt Jesus den Türhüter,
um seinen Zuhörern deutlich zu machen,
welche Eigenschaften sie selbst haben sollen.

Jesus weist uns alle darauf hin,
dass wir wie ein guter Türhüter, wie ein guter Portier, sein sollen.

Uns allen ist dieser Dienst aufgetragen.

An uns vorbei müssen ja alle gehen,
wenn Sie – im Bild gesprochen –
in das Haus des Herrn kommen.

Wir, die praktizierenden Christen,
sind die mit denen die Menschen
die im Moment nicht im Haus des Herrn sind,
in Berührung kommen.

So mehr oder weniger einladend wie wir uns geben,
so mehr oder weniger einladend wird die Kirche erlebt.

Unsere Umgangsformen erleben die Menschen zuerst
und erleben sie als Umgangsforen von „Denen in der Kirche“.

Der Dienst des Türhüters ist ein äußerst wichtiger.

Und er ist uns allen aufgetragen.

Die Eigenschaften,
die ein Türhüter erfüllen muss, sind vielfältig.
Und seine Aufgabe ist für das ganze Haus
von entscheidender Bedeutung.

Seine Wichtigste Aufgabe, seine wichtigste Eigenschaft aber
ist wohl die Wachsamkeit.

Die Wachsamkeit im Umgang mit denen, die an das Haus kommen.Die Wachsamkeit im Umgang mit dem Nächsten.
Die Wachsamkeit im Bezug auf das was VOR dem Haus geschieht.
Die Wachsamkeit im Bezug auf das was IM Haus vor sich geht.
Und die Wachsamkeit gegenüber dem Herrn des Hauses.

Stellen Sie sich vor, der Portier übersieht den Herrn des Hauses,
oder er erkennt ihn nicht,
oder er kennt ihn nicht.
Oder er schläft gar,
wenn der Herr des Hauses eingelassen werden will.

Seid also wachsam!

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