Mich beeindrucken die drei Sterndeuter, die wir auch die heiligen drei Könige nennen. Von ihnen berichtet die Bibel, dass sie einen Stern haben aufgehen sehen und ihm gefolgt sind (Matth 2).

Es wird nicht berichtet, dass die anderen Zeitgenossen diesen Stern wahrgenommen hätten.
Doch die drei Fremden haben ihn gesehen,
haben sich auf den Weg gemacht und
sind dem Stern gefolgt.
Offensichtlich muss diesen Männern aufgegangen sein,
dass sich etwas außerhalb ihres bisherigen Horizontes aufgetan hat,
für das es sich lohnt,
einen weiten Weg in Kauf zu nehmen.
Sie müssen gespürt haben:
Da ist etwas, für das es sich zu leben lohnt.
Da ist ein Star, der mehr verspricht
als die Sternchen, die man sonst so kennt.

Mich beeindrucken die drei Weisen aus dem Morgenland,
weil ich in ihnen Menschen entdecke,
die etwas Neues wagen und
ihrem Leben eine neue Richtung geben.

Sie achten dabei nicht darauf,
was die andern denken könnten.
Vielmehr haben sie die Gewissheit,
dass der Stern sie zum wahren Leben führt.

Mich beeindrucken die heiligen drei Könige,
weil sich in ihren Gesichtern die Gesichter von Menschen widerspiegeln,
die es ebenso gemacht haben wie sie.

Ich sehe das Gesicht eines jungen Mannes,
der verstanden hat, dass Gott ihn zum Priester berufen hat
und der dafür seinen angesehenen Beruf aufgegeben hat
und sich nochmals an die Schulbank setzt.

Ich sehe das Gesicht eines Jugendlichen,
der in Drogen und Kriminalität geraten war,
der aber inzwischen verstanden hat,
dass der Glaube an Gott ihm wieder neu Sinn, Halt und Richtung für sein Leben gibt,
und der mir sagte: „Ohne Gott kann ich nicht mehr leben.“

Ich sehe das Gesicht eines Krebspatienten,
der in seiner bereits zweiten Therapie endlich verstanden hat,
dass das Leben nicht nur aus Geben und Für-Andere-Dasein besteht.
Der eine gesunde Liebe zu sich selbst gefunden hat
und nun auf dem Weg der Heilung gute Fortschritte macht.

Ich sehe das Gesicht eines Mannes und das Gesicht einer Frau,
die sich auf die Geburt ihres ersten Kindes freuen,
obwohl beiden klar ist,
dass dieser kleine Mensch ihr ganzes Leben durcheinanderbringen
und ihre Beziehung radikal verändern wird.

Ich sehe das Gesicht einer jungen Abiturientin,
die mutig mit einem Studium beginnt,
obwohl sie noch nicht weiß, ob sie es schaffen wird
und wie die Zukunft aussieht.

Ich sehe das Gesicht einer alten Frau,
die selbst fast an der Armutsgrenze lebt,
die aber großzügig von dem wenigen, was sie hat,
an andere weitergibt.

All diese Menschen haben die Erfahrung machen können,
die auch die drei Sterndeuter machten:
Weil sie dem Stern gefolgt sind,
haben sie zum lebendigen Gott gefunden.

Ich wünsche Ihnen,
dass auch Sie den Stern aufgehen sehen
und ihm folgen können,
so wie die heiligen drei Könige.

Martin Schnirch
Seminardirektor

Quelle: Isar-Loisachbote, Nr. 4, 5./6. Januar 2012, S. L4