Es war heiß an diesem Dienstag, dem 14. Juli 2015, sehr heiß! Aber die Bierstube des Seminars war zur Feierabendzeit ‚well-tempered‘, verdunkelt, Kerzen brannten, als Kursleiter Andreas Gleixner und seine neun P-Seminarteilnehmer eine illustre Runde als Gäste begrüßen konnten. Neben einigen Seminaristen sowie externen Schülerinnen und Schülern war auch die Schulleitung mit Herrn Pointner und Herrn Erhard unter den Zuhörern. Bei Knabbereien und dem gut sortierten und ebenso gut gekühlten Getränkeangebot der Bierstuben-Wirte harrte man der spannenden Lesung.
Anja Vollherbst begrüßte und stellte das Vorleser-Team vor, das aus Mona Eckert (Dr. Watson als Person), Lena Schatz (Dr. Watson als Erzähler), Regina Huber (Sherlock Holmes), Sabrina Reiners (Helen Stoner) sowie Andreas Gabriel (er verlieh dem Fiesling Grimesby Roylott eine geniale Stimme und Intonation) bestand. Anja erläuterte auch den Ablauf: „An der spannendsten Stelle gibt es eine Pause, und jeder Zuhörer bekommt ein Blatt, auf dem er den Mörder/die Mörderin (auch Frauen sind nicht nur gut!) sowie Todesursache (+ Motiv?) beschreiben soll.“ Danach ermittelt ein Team aus drei Kriminologen die Sieger im Blick auf die richtige Lösung sowie auf die kreativsten Lösungsvorschläge. Um es gleich vorwegzunehmen: Auf die richtige Lösung kam niemand – aber die beiden Kreativ-Sieger können sich sehen lassen! Doch dazu später, zunächst Fakten und Handlung.
Wir befinden uns im London des Jahres 1883. Alles beginnt ganz ‚klassisch‘, wie bei Conan Doyle gewohnt, mit Jagdwagen, Bahnfahrt und Ankunft in der Londoner Waterloo-Station. Helen Stoner wendet sich an Holmes. „Ihr Rat wird mir den Weg weisen.“ Helen stammt aus Surrey und erzählt eingehend ihre Lebens- und Familiengeschichte und erwähnt dabei auch, dass ihre Schwester Julia, verlobt mit einem Major der Marine, vor zwei Jahren starb. Am Abend ihres Todes führen die beiden Zwillingsschwestern Helen und Julia ein letztes Gespräch im Haus ihres seltsam-schrulligen Stiefvaters, der sich aus der Zeit seiner jahrelangen beruflichen Tätigkeit in Indien einen Tiger und einen Pavian hält. Helen schließt sich – aus Furcht – nach alter Gewohnheit in ihrem Zimmer ein. Auf einen Schrei hin stürzt sie aus ihrem Zimmer und findet Julia in deren Zimmer in einem Erstickungsanfall: „Oh mein Gott, Helen, es war Band, getupftes Band!“ Dazu ein schrilles Pfeifen und metallenes Klirren, sowie ein metallisches Geräusch. Julia hatte sich zur Nacht bereitet, machte Licht – und ein Leichenschauer umfing sie, sie verschied. Julia war ganz allein, als sie verschied. Wilde Spekulationen machen die Runde: Tod durch Schrecken – Zigeuner sind in der Nähe – getupftes Band, ganz so wie Zigeuner es tragen… „Zwei Jahre sind seitdem vergangen“, erzählt Helen, als Hausherr Grimesby Roylott auftritt, ein altes Ekel: „Meine Stieftochter war hier gewesen…Ihr seid Holmes, der Schnüffler. Ich rate keinem, mir in die Quere zu kommen.“ Da kommt bei Holmes und Dr. Watson wenig Vertrauen und Zuneigung auf. Die beiden frühstücken, Holmes studiert dabei Julias Testament. Die Meisterdetektive nehmen den Tatort unter die Lupe: Türen, Fenster, Mauern … und stoßen auf ein Luftloch im Nebenzimmer, und einen Glockenzug ohne Glocke direkt über dem Bett. Sie verbringen die Nacht in Julias Zimmer, und Holmes gelangt zu der Überzeugung, dass diese eher an einer greifbaren Ursache starb als an einem Schrecken. Die Detektive entdecken auch, dass das Bett genau unter diesem Luftloch steht (Julia roch vor ihrem Tod Zigarrenrauch), aber wozu der Glockenzug ohne Glocke?
Pause! Nun brüteten die Zuhörer über ihren Lösungszetteln, bevor sich die Jury (Alena Hölting, Fee Pietzschmann, Anja Vollherbst) an die Auswertung machte. Wie gesagt, die richtige Lösung von Conan Doyle war nicht dabei, aber wer käme schon auf eine Sumpfotter (‚getupftes Band‘), die sich an dem Glockenzug herablässt, die tötet und von ihrem Herrn mit einem ‚Pfiff‘ durch das Luftloch zurückgerufen wird. Denn wie bei „Hubert und Staller“ ist ja nicht der Fall interessant, sondern die Personen, die Orte („War das nicht die Ausfahrt zum Buchsee?“). Kreativität und Phantasie waren gefragt.
Der zweite Kreativ-Sieger wurde Daniel Frerichs mit folgender ‚Story‘: Die Schildläuse des Pavians sind die Mörder! Diese fraßen das Loch in die Wand und haben mit ihren Ausscheidungen, ihren Körpersäften Julia Stoner vergiftet. Daniel lieferte auch gleich das Motiv mit: Da auch der Pavian zu den Primaten zählt und über ein gerüttelt Maß an Intelligenz verfügt, setzt er seine Sklavenarmee der Schildläuse ein, um die Alleinerbin aus dem Weg zu räumen und sich das Haus ganz allein unter den Affennagel zu reißen. Was lernen wir daraus? Biologieunterricht zeitigt nicht nur positive Wissenszuwächse, sondern regt auch die kriminelle Energie an, frei nach dem Motto: ‚Biologie macht mobil, bei Arbeit, Mord und Spiel!‘.
Der absolute Kreativ-Sieger des Abends aber war – im Übrigen vielumjubelt und frenetisch beklatscht, Florian Maucher, hier seine Geschichte in der ungekürzten Originalfassung: „Da sowohl Leopard wie auch Pavian um ihren Lebensunterhalt fürchteten, wenn die Einnahmen wegbrächen, entschieden sie sich, die Schwestern Julia und Helen Stoner zu töten. Hierzu entwickelten sie zuerst ein Kommunikationssystem, das aus Pfiffen besteht. Danach kletterte der Leopard auf die Schultern des Pavians, dieser erklomm die Fassade, und der Leopard quetschte sich durch die Gitterstäbe. Dies konnte er tun, da er zur Familie der Großkatzen gehört und diese ihre Körper durch noch so kleine Löcher bekommen. Der Mord geschah durch eine so erschütternde Vorstellung eines eurythmischen Tanzes, den der Leopard zuvor erlernte, dass die Schwester, Julia, einen tödlichen Herzstillstand erlitt. Da es sich um einen ‚Bändertanz‘ handelte, auch der Ausruf „geflecktes Band“, da ein Leopard ja gefleckt ist. Auf dem Rückweg stieß der Leopard einen Kerzenhalter um, daher der metallische Laut…“
Auch hier folgt die Moral der Geschicht‘ auf der Leo-Tatze: Biologie-Unterricht ist ungefährlich nicht! Ironie am Rande: Wenige Tage später wurden entlang der Isar auf der Höhe Waldram drei Personen von einem Fuchs gebissen, der nachweislich nicht die Tollwut hatte. Fachleute vermuten als eine mögliche Ursache für die Aggressivität des Fuchses Bisse giftiger Schildläuse, die aus den geheimen Papieren einer Krimilesung in der Bierstube des Seminars St. Matthias in Waldram ausgebrochen sind…
Dieter Klug <xml></xml>
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