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“Alle sollen eins sein.”

Liebe Schwestern und Brüder!

Bevor mein Vater im Jahr 1988 starb,
hatte er sein Testament gemacht.

Er hat uns seinen letzten Willen hinterlassen,
seine Hinterlassenschaft geregelt,
damit wir
– meine Mutter, meine Geschwister und ich –
wussten, was wir nach seinem Tod mit seinem Erbe tun sollten.

Selbstverständlich haben wir uns auch an das gehalten
und das umgesetzt,
was unser Vater uns als sein Vermächtnis hinterlassen hat.

In den Evangelien,
die uns die Kirche am Ende der Osterzeit in diesem Jahr vorlegt,
zitiert Johannes aus dem Testament Jesu.

Mit den Worten,
die wir eben gehört haben,
hinterlässt Jesus vor seinem Sterben
den Seinen SEIN Vermächtnis
– das, was er ihnen als das Wichtigste
   für die Zeit nach seinem Heimgang mitgeben wollte.

Er kleidet sein Vermächtnis in ein Gebet
für seine Jünger und für alle Menschen,

ein Gebet,
das er an den Vater richtet.

Das Vermächtnis Jesu,
sein wichtigster Wunsch für die Seinen nach seinem Heimgang, lautet:

„Alle sollen eins sein.“ (Joh 17,21)

Das ist sein Wunsch
nicht nur für seine Zuhörer,
sondern auch für alle,
die durch deren Wort an IHN glauben. (vgl. Joh 17,20)

Die Einheit unter den Christgläubigen
ist das Vermächtnis Jesu,
sein Herzensanliegen
und das, was er ihnen aufgibt,
damit die Welt zum Glauben an ihn, den Christus kommt. (vgl. Joh 17,23)

Die Einheit ist das,
was Jesus für uns möchte
und was Jesus von uns möchte.

Und wenn die Einheit unter den Christen da ist,
dann ist das das überzeugendste Zeugnis,
für die ganze Welt.

Umgekehrt ist die Uneinheit,
die Trennung und die Zersplitterung unter den Christen
wohl der größte Schmerz für Jesus
und der größte Fehler in unserer Glaubwürdigkeit
und die größte Schande für uns Christen.

Wenn uns Jesus
als sein Testament die Einheit mit auf den Weg gegeben hat,
müssen wir dann nicht alles daransetzen,
damit diese Einheit unter uns da ist?

Müsste sich nicht all unser Handeln als Christen darum mühen
und daran messen,
das Testament Jesu
– also die Einheit –
Wirklichkeit werden zu lassen?

Und sind dann nicht Alle,
die Uneinheit
oder gar Zwietracht und Spaltung unter den Christen säen,
Verräter am Testament Jesu?

Es sind die letzten Worte, die Jesus an seine Jünger richtet:

„Alle sollen eins sein.“ (Joh 17,21)

Aber er stellt diesen
seinen letzten Wunsch
nicht einfach so in den Raum.

Vielmehr zeigt er mit seinem Gebet an den Vater einen Weg auf,
wie wir zur Einheit gelangen können:

„Wie du, Vater, in mir bist
und ich in dir bin,
sollen auch sie in uns sein, …
sie sollen eins sein, wie wir eins sind,
ich in ihnen und du in mir.“ (Joh 17,21-23)

Vorbild und Urbild der Einheit der Christen
ist die Einheit zwischen Jesus und dem Vater.

Jesus und der Vater sind zwar ZWEI unterschiedliche Personen,
aber doch sind sie zutiefst EINS.

Sie sind nicht zwei Personen,
die nebeneinander existieren,
sondern sie sind ineinander:

Jesus, der Sohn IM Vater
und Gott, der Vater IM Sohn.

Beide haben nicht nur eine Beziehung zueinander,
sie sind EINS.

Sohn und Vater sind ZWEI und EINS.

Ein Gedanke,
der in das Denken eines Mathematikers zwar nicht hineinpasst,
aber vom Gespür eines Menschen, der in Beziehung lebt,
durchaus erahnt werden kann.

Eine liebende Beziehung zwischen zwei Menschen
ist ja auch auf die Einheit unter den Beiden ausgerichtet,
braucht aber dennoch zwei eigenständige und freie Persönlichkeiten.

Unser christliches Leben mit Gott und untereinander
soll sich,
so wünscht es Jesus,
die Beziehung zwischen IHM und dem VATER zum Vorbild nehmen.

Jesus möchte,
dass wir uns ganz von IHM – von Gott, durchdringen lassen
und dass wir ganz IN Gott leben.

Die Eucharistie,
die Kommunion, die wir empfangen,
ist eine Möglichkeit,
wie wir Gott im wahrsten Sinne des Wortes
in uns hinein kommen lassen
uns ja sogar körperlich
ganz von ihm durchdringen lassen.

Im wahrsten und im übertragenen Sinn des Wortes,
möchte Gott
in jeder Zelle unseres Körpers,
und in jedem Winkel unseres Lebens,
gegenwärtig sein.

Und er möchte,
dass wir ganz in IHM leben,
wie es Paulus bei seiner Rede an die Athener sagen wird:
„in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17,28).

Gott möchte nicht nur
immer und überall Anteil an UNSEREM Leben haben.

Er möchte auch uns ganz
an SEINEM Leben Anteil nehmen lassen.

Dazu hat er Jesus in die Welt gesandt,
der uns SEIN WORT verkündet
und SEINE LIEBE vorgelebt hat,
der SEIN lebendiges Wort ist.

Wenn Menschen das Wort Gottes lebendig werden lassen,
dann wird Jesus Christus lebendig,
dann wird Gott lebendig.

Dann entsteht ein Raum,
eine Atmosphäre,
die wir als göttlichen Raum,
als göttliche Atmosphäre
bezeichnen können.

In und durch Jesus
hat uns Gott gewissermaßen hineinschauen lassen
und lässt und immer noch hineinschauen
in SEIN Leben,

in das Leben des Vaters mit dem Sohn.

Und er will, dass auch wir so leben, wie er.

Dass wir mit IHM und UNTEREINANDER so leben,
wie Gott der Vater mit dem Sohn

Denn um die Einheit zu erreichen,
um die Jesus für uns Christen gebetet hat,
dürfen – ja müssen wir uns
auch für die Beziehungen unter uns die
Beziehung Jesu zum Vater
  zum Vorbild nehmen.

Auch untereinander,
in der Kirche,
unter den Kirchen,
in der Gemeinde,
im Seminar,
in der Schule,
in unseren persönlichen Beziehungen
sollen wir Christen
die Liebe zwischen Gott, dem Vater und dem Sohn nachahmen.

Der Vater und der Sohn leben nicht nebeneinander her,
sondern sind ganz füreinander da.

Der Vater und der Sohn tolerieren sich nicht nur irgendwie,
sondern einer wird durch den anderen sichtbar.

Der Vater und der Sohn denken nicht nur gelegentlich aneinander,
sondern nehmen ganz Anteil am Leben des Anderen.

Der Vater und der Sohn sind zwei eigenständige Personen,
und doch eine Einheit.

Wenn wir also untereinander die Einheit,
wie sie Jesus will,
 leben wollen,

müssen wir dann nicht noch viel mehr füreinander da sein,
aufeinander hören,
uns füreinander interessieren,
miteinander leiden
und uns mit dem anderen freuen?

Müssen wir dann nicht versuchen,
uns in den Anderen hineinzuversetzen,
für ihn mitsorgen
und mit ihm alles teilen,
ja letztlich für ihn das Leben geben?

„Alle sollen eins sein.“ (Joh 17,21)

Das ist das Testament Jesu.

Die, die ihm nachfolgen,
haben die Aufgabe, sein Testament umzusetzen.

WIR haben die Aufgabe,
uns für die Einheit einzusetzen,
indem wir mit Gott und miteinander
– mit unseren Nächsten und mit allen Christen –
so leben wie Jesus mit dem Vater.

Eine große Aufgabe.

Sie ist noch lange nicht vollendet.

Das Ziel ist klar:

„Alle sollen eins sein. … damit die Welt glaubt.“ (Joh 17,21)

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Was braucht es wirklich für Weihnachten?

Predigt  im Adventsgottesdienst der Schule,
gehalten von Pfr. Martin Schnirch am 23.12.2011 in St. Matthias Waldram

Lesung: Mal 3, 1-4.23-24 (vom Tag)
Evangelium: Lk 1, 26-38 (vom 4. Adventssonntag)

Liebe Schwestern und Brüder!

Morgen ist Heilig Abend.

Haben Sie schon alles,
was man dafür braucht?

Steht der Weihnachtsbaum schon?
Sind die Geschenke alle besorgt,
die Post erledigt,
das Essen eingekauft?

Ist der Ablauf des Heiligen Abends geklärt?
Wann ist die Bescherung?
Wann geht man in den Gottesdienst?
Was wird man etwas singen?
Gibt es einen Text, den einer vorließt?

Was fehlt noch,
damit es Weihnachten werden kann?

Damit dann nichts fehlt,
frage ich mich heute:
Was braucht es denn,
damit es Weihnachten werden kann?

Schauen wir uns die erste Weihnachtsvorbereitung überhaupt an:

Lukas berichtet in seinem Evangelium (Lk 1,26-38) davon:
Der Engel wird nach Nazareth zu Maria gesandt
und erklärt ihr,
dass sie Jesus,
den Sohn Gottes,
auf die Welt bringen soll.

Nach einer Rückfrage ihrerseits
und der Antwort des Engels:
„… für Gott ist nichts unmöglich“ (Lk 1,37)
gibt Maria ihre Zusage:

„… mir geschehe wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38).

Die Vorbereitung auf das erste Weihnachten besteht darin,
dass Gott ausrichten lässt,
dass er seinen Sohn – Jesus – in die Welt schicken will
und darin, dass ein unbedeutendes junges Mädchen
in einer noch unbedeutenderen Kleinstadt in Galiläa
ja zu dem sagt, was Gott mit ihr vor hat.

Ohne diese Ankündigung Gottes
und ohne diese Zusage eines einfachen jungen Menschen
wäre es nicht
zum ersten Weihnachten damals in Bethlehem gekommen.

Für heute gilt das Gleiche:

Ohne die Zusage Gottes, dass er hier Mensch werden wird,
und ohne die Zusage einfacher Menschen,
ohne die Zusage von Ihnen und mir,
dass wir geschehen lassen, was Gott von uns will,
kann und wird es nicht wirklich Weihnachten werden.

Stellen Sie sich nur einfach vor,
Maria hätte damals gesagt:
„Ich hab keine Zeit!“,
oder „Ich hab keine Lust!“,
oder „Ich hab’ was anderes vor!“.

Weihnachten wäre nicht geschehen.

Und stellen Sie sich vor,
Sie und ich würden heute sagen:
„Ich hab keine Zeit!“,
oder „Ich hab keine Lust!“,
oder „Ich hab’ was anderes vor!“

Wie sollte dann heute Weihnachten geschehen?
Wie sollte dann heute Jesus in die Welt kommen?

Wenn heute über Weihnachtsbaum,
Weihnachtsgeschenke,
Weihnachtspost,
Bescherung
und Weihnachtslieder hinaus
wirklich Weihnachten geschehen soll,
dann kann es nur geschehen,
wenn Menschen sagen:
Gott, ich mache mit,
ich tu meinen Teil dazu,
damit Jesus auf die Welt kommen kann.

Maria war der erste Mensch, des das so deutlich gesagt hat.
Wir haben davon im Evangelium gehört.

So ist Maria mit ihrem JA Vorbild für uns geworden.

Wir haben in der Adventszeit
hier bei uns im Seminar
eine Marienfigur von Einem zum Anderen wandern lassen.

Dieser Brauch
– man nennt es das Frauentragen –
sollte jeden persönlich daran erinnern:

Jesus will auch zu Dir kommen.

Er will in Deinem Leben,
da, wo Du lebst,
in Deinem Zimmer,
in Deinem Umfeld
lebendig sein.

Heute kommt die Figur von Maria hier her in die Kirche
um uns alle noch einmal daran zu erinnern.

Es soll Weihnachten werden.
Gott will hier bei uns in unserer Schulgemeinschaft lebendig sein.

Dass das gelingt hängt auch an uns.

Nun werden Sie vielleicht sagen:
In unsere Welt soll Gott kommen?

Wo doch so viel Schlechtes,
soviel Not
und so viele Sorgen in dieser Welt sind.

In der Tat!

Not und Sorgen sind allgegenwärtig.

Aber gerade hier hinein,
dahin, wo Not und Sorgen sind,
will Gott kommen.

Jesus wird in einem Stall geboren
und in eine Futterkrippe gelegt.

Vermutlich ist keiner von uns
in einem Stall zur Welt gekommen.

Vermutlich hatte jeder von uns ein Kinderbett,
das nicht vorher schon als Futtertrog gedient hat.

Das Stroh in der Krippe in Bethlehem
ist ein Symbol für die Not und die Sorgen dieser Welt.

Gerade da hinein wird Jesus Christus geboren.

Gott begibt sich gerade da hinein, wo Sorgen, Ängste, Leid und Not ist.

Deshalb wird nun auch die Krippe herein getragen,
mit den Zetteln
auf denen Sie am Mittwoch Ihre Bitten und Sorgen,
Ihre Anliegen, zu Papier gebracht haben.

Liebe Schwestern und Brüder!

Was braucht es,
damit wirklich Weihnachten werden kann?

Damit nicht nur X-Mass
oder „Das Fest“
oder „die Weih-Nacht“,
sondern Weihnachten, wie es wirklich gedacht ist
werden kann?

Es braucht vor allem Menschen,
die Ja dazu sagen,
dass Gott in ihre Welt kommt.

Maria ist das erste Beispiel dafür.

Und es braucht die erlösungsbedürftige Welt,
in die hinein sich Gott begeben kann,
so wie das Jesuskind, das in unsere Krippe gelegt wird.

Ich wünsche Ihnen ein frohes,
gesegnetes, befreiendes,
echtes Weihnachtsfest.

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