Am Kolleg Sankt Matthias im Wolfratshauser Ortsteil Waldram findet in diesen Tagen und noch bis Sonntag das „Forum Begabtenförderung Mathematik“ statt. Schuldirektor Ralf Wiechmann erklärt, was auf der bundesweiten Tagung passiert, ob damit auch bei durchschnittlich begabten Schülern die Noten besser werden und was er sich davon grundsätzlich für sein Gymnasium erhofft.
SZ: Herr Wiechmann, Ihre Schule bekommt Gäste aus dem ganzen Land. Wer kommt und worum geht es?
Ralf Wiechmann: Es kommen einerseits Mathematik-Lehrkräfte aus allen Schularten, die sich ein bisschen inspirieren lassen und Ideen mitnehmen wollen für den Unterricht. Und die sich auch kritisch mit der Frage auseinandersetzen wollen: Was ist guter Mathematikunterricht? Andererseits kommen Wissenschaftler aus der Hochschule, also Mathematik-Didaktiker und Fachprofessoren, die sich Gedanken machen zur Qualität der mathematischen Ausbildung an Schulen. Weil sie ja hinterher an der Uni mit den Schülern, die wir entlassen, arbeiten müssen. Und Tobias Stork vom Institut für Schulqualität und Bildungsforschung am bayerischen Kultusministerium wird etwas zur Entwicklung des Faches Mathematik demnächst am neunjährigen Gymnasium erzählen.
SZ: Es geht also nicht um den Umgang mit hochbegabten Mathegenies im Unterricht?
Wiechmann: Nein, darum geht’s nicht. Jede gute Schule sollte davon ausgehen, dass jeder Schüler irgendwo eine Begabung hat. Aufgabe dieses Forums ist es, uns über diejenigen Gedanken zu machen, die eine Begabung im Fach Mathematik haben. Es geht nicht um Hochbegabung, sondern um Leute, die sagen: Mathe ist mein Fach, das macht mir Spaß, das fällt mir leichter als andere Fächer, da bin ich auch bereit, mich mal hinzusetzen und was auszutüfteln, selbst wenn es keine Note gibt dafür.
SZ: Das Programm klingt aus Sicht des Laien recht speziell: In den Vorträgen geht es unter anderem um schulische Vektorgeometrie, statistische Fehlurteile und invariante Flächensummen. Gibt es eine Veranstaltung, auf die Sie sich besonders freuen?
Wiechmann: Zum Beispiel auf den Schülertag am Freitagnachmittag. Da können sich unsere Schüler mit anschaulicher Mathematik beschäftigen, die ohne große Voraussetzungen nachvollzogen werden kann. Der Vortragende Dr. Hans Walser aus der Schweiz hat mich schon gebeten, dass ich Scheren bereit lege. Auch haptisch wird es dort also ein bisschen was geben für die Schüler.
SZ: Was erhoffen Sie sich für Sankt Matthias, von der Veranstaltung mitzunehmen?
Wiechmann: Ich freue mich als Schulleiter und als Mathelehrer, dass wir die Veranstaltung, die jedes Jahr woanders stattfindet, ins Haus bekommen haben, weil ich Begabungsförderung auch an unserer Schule für einen ganz wichtigen Aspekt halte. Ich sage meinen Lehrern immer, ihr müsst euch in jeder Klasse, in die ihr reinkommt, die Frage stellen: Wen könnte ich für mein Fach begeistern und seine oder ihre Begabung selbst entdecken lassen. Wir erhoffen uns, dass unsere Schüler am Ende nicht nur ein Zeugnis in der Hand haben, sondern auch wissen, wo ihre Begabung liegt und wie es mit ihnen weitergehen könnte. Das ist auch eine Orientierungsaufgabe der Schule.
SZ: Und dass die Mathenoten damit besser werden?
Wiechmann (Lacht): Im Schnitt ist mir die Mathenote gar nicht so wichtig. Wenn Schüler sagen, dass Englisch ihre Leidenschaft ist und sie in Mathe dann mit ‘nem Dreier zufrieden sind, ist das in Ordnung. Ich erhoffe mir`eher, dass einige Schüler für Mathe eine Leidenschaft entdecken und sich besonders anstrengen. Also dass wir dadurch den einen oder anderen Einser mehr im Abitur bekommen. Aber nicht, dass der Notenschnitt besser wird. Die Noten sind sowieso unterm Strich gar nicht so wichtig.
Interview: Konstantín Kaip

Quelle: Süddeutsche Zeitung, Nr. 76, 31.03.2023, Lokales: Bad-Tölz-Wolfratshausen, S. R5