Ein Praxis-Seminar des Gymnasiums Sankt Matthias hat die fantastsiche Welt Tolkiens mit Papier und Pappe, Asche und Moos in Form gebracht

Keine zweite Fantasywelt ist so umfangreich wie Mittelerde: Tolkien hat sich für sein Werk nicht nur eine eigene Mythologie und Sprache ausgedacht, er hat seine Fantasie auch in Tausende Seiten Text gegossen, von denen etliche, wie etwa seine Abhandlung über die Geschichte Mittelerdes, erst nach seinem Tod veröffentlicht wurden. Die Begeisterung ist seit der Erstveröffentlichung in den Fünfzigerjahren kaum abgerissen: Fast 300 Millionen Dollar investierte Peter Jackson allein in die Produktion der drei „Herr der Ringe“-Filme. Da sind 13 Schüler des Gymnasiums Sankt Matthias in Waldram deutlich günstiger weggekommen: Sie haben Mittelerde auf neun Quadratmetern nachgebaut, mit Papier, Pappe, Holz, Folie, Gips, Moos, Sand, Asche und Styropor.
Moos, Steine und Sand sammelten
die Schüler an der Isar
Ein gutes Dreivierteljahr lang haben die Schüler an ihrem Projekt gearbeitet, bis es am Montag offiziell in der Aula präsentiert werden konnte – aufgebaut auf Tischen, mit einer Seitenlänge von drei Metern, versehen mit fantastischen schwarzen Türmen, Hobbithöhlen und Bergketten. Martin Mösenlechner, Schüler der 12. Klasse und Initiator des P-Seminars, spielte in der Aula des Gymnasiums zur Einstimmung auf dem Klavier ,,Elegy“ von Nobuyuki Tsujii und ,,Misty Mountains“ aus dem Hobbit-Film, dann fasste sein Mitschüler Maximilian Engel das Projekt in einer Präsentation zusammen. Abgebildet ist auf der Karte demnach nicht das komplette Mittelerde, sondern ein Ausschnitt mit den wichtigsten Stationen der Reise der Ringgefährten: Da sich die Gruppe dazu entschieden hatte, bei bedeutenden Stätten wie Isengard, Hobbingen und Mordor von der Maßstabstreue abzuweichen, um sie detaillierter darstellen zu können, musste sie auf die Randregionen verzichten, weil sonst eigentlich weit voneinander entfernte Orte wie Osgiliath und Minas Tirith nur knapp fiinf Zentimeter Distanz zwischen sich gehabt hätten. Anfangs sei außerdem noch ein Wasserkreislauf geplant gewesen, und man wollte den Weg der Gefährten mit einer Lichterkette darstellen – auf beides mussten die Schüler aus Zeitgründen verzichten.
Wer den „Herrn der Ringe“ einmal gelesen hat, der weiß: Die Landschaftsbeschreibungen nehmen darin ebenso viel Raum ein wie die Schlachten. Ein Modell will daher mit Bedacht gebaut werden. Um den Prozess festzuhalten, ließ die Gruppe immer eine Kamera laufen, während sie an den Platten arbeitete; entstanden ist so ein zehnminütiger Zeitrafferfilm, der Bauarbeiten von mehreren Monaten zusammenfasst. Moos, Steine und Sand sammelten die Schüler an der Isar, aus Styropor bauten sie die Höhenlagen. Ein Gemeinschaftsprojekt, dem die fabelhaftesten Referate eines durchschnittlichen Schuljahrs vorausgingen, die von Zwergen, Elben und Königreichen handelten. ,,Es ist schon was anderes, mit 13 Leuten zusammenzuarbeiten, als mit drei oder vier“, sagte Engel. ,,Aber es gab kaum Schwierigkeiten.“ Von den zahlreichen Eltern, Lehrern und Schülern, die zur Präsentation kamen, gab es reichlich Applaus. Jetzt sucht die Gruppe nach einem Abnehmer für das Modell; Spielzeugmuseen sei es zu groß, „die haben nicht so viel Platz“.
Abseits und somit fast unbemerkt vom Trubel um Mittelerde hatte eine andere Gruppe aus der Q12 ihr Projekt aufgestellt – einen Papptunnel zum Thema Fleischkonsum und Massentierhaltung. Schwere Kost: Drei Schüler der Gruppe seien durch das Projekt zu Vegetariern geworden, erzählten Lukas Röder und Nina Klier. Ihre Ergebnisse präsentieren die Schüler online auf www.fleischumjedenpreis.de

Thekla Krausseneck

Quelle: Süddeutsche Zeitung, Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, Nr. 286 vom 13.12.2017, S. R6