Liebe Schwestern und Brüder,

Welche Überschrift könnten wir dem Evangelium dieses Sonntags geben?

Was ist der verbindende Gedanke zwischen diesen drei Gleichnissen?

Dem Gleichnis vom verlorenen Schaf,
von der verlorenen Drachme
und vom verlorenen Sohn?

Allen drei Gleichnissen ist eines gemeinsam:

Die Freude.

„Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen
über einen einzigen Sünder, der umkehrt,
als über neunundneunzig Gerechte,
die es nicht nötig haben umzukehren.“ (Lk 15,7)

und

„Ebenso herrscht auch bei den Engeln Gottes Freude
über einen einzigen Sünder, der umkehrt.“ (Lk 15,10)

und

„Jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern;
denn dein Bruder war tot und lebt wieder;
er war verloren und ist wieder gefunden worden.“ (Lk 15,32)

Das Evangelium dieses Sonntags
stellt also die Freude über die Erlösung in den Mittelpunkt.

Der Evangelist Lukas beschreibt als Anlass
den Umgang Jesu mit den Randgestalten der jüdischen Gesellschaft,
mit den Zöllnern und Sünden,
die – wie es genau heißt – „um ihn waren, um ihn zu hören“

„Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten
sich darüber und sagten:
Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen.“ (Lk 15,2)

Ich stelle mir die Pharisäer und Schriftgelehrten vor:

Kluge, fromme Männer,
die sich an alle 248 Gebote und 365 Verbote der Thora
peinlich genau halten
und darüber hinaus
– wahrscheinlich noch peinlich genauer –
darauf achten,
dass auch alle anderen sich genau daran halten.

– Und wehe wenn nicht!

Ich stelle mir die Gesichter der Pharisäer und Schriftgelehrten vor,
empört, ja zornig über die Dreistigkeit Jesu.

„Einer der so etwas tut,
der sich mit Zöllnern und Sündern,
mit Randexistenzen,
Geächteten und Ausgestoßenen abgibt,
mit so einem werden wir aufräumen!“

„Den werden wir nicht nur ausschließen
– „Anatema sit“ –
ja wir werden ihn ausmerzen müssen!

Zu seinem eigenen Wohl! – versteht sich!“

Ich stelle mir die wütenden Gesichter vor,
die zu Menschen gehören, die vergessen haben,
dass sie an einen Gott glauben,
der die Menschen liebt.

Ich stelle mit der verzerrten Gesichter vor,
die zu Menschen gehören,
die nur noch auf die Glaubenswahrheiten schauen,
die sie selber in den Mittelpunkt stellen
und die vergessen haben,
dass Gottes Gebote
von ihm
aus Liebe gegeben wurden,

dass es eine Freude ist,
sich an Gottes Weisungen zu halten.

Vermutlich können sie schon lange nicht mehr beten

„Deinen Willen zu tun, mein Gott, macht mir Freude,
deine Weisung trag ich im Herzen.“ (Ps 40,9)

wie es im Psalm 40 heißt.

Schon allzu lange haben sie wohl vergessen,
dass das Buch der Psalmen mit den Worten beginnt:

„Wohl dem Mann, der … Freude hat an der Weisung des Herrn, …“ (Ps 1,1f)

Ich stelle mir die neidischen Gesichter vor,
hinter denen sie überlegen müssen,
wie sie diesen Jesus los werden können,
der ihre Traditionen so offensichtlich kritisiert
und damit auch noch so viele Menschen begeistert.

Freude an ihrem Glauben,
Freude darüber, dass sie von Gott nicht nur geschaffen,
sondern in sein besonders geliebtes Volk berufen wurden,
ist in ihren Gesichtern nicht zu sehen.

Schon gar nicht Freude darüber,
dass sich Gott allen Menschen zuwendet,
auch denen, die vom Rest der Gesellschaft, von ihren Mitmenschen
ausgegrenzt und verachtet werden.

Und gerade diese Freude,
die Freude über die Liebe und Barmherzigkeit Gottes,
ja die Freude über die Erlösung
steht im Mittepunkt des Evangeliums an diesem Sonntag.

Liebe Schwestern und Brüder,

hat nicht die Kirche dieses Evangelium ausgesucht,
um auch uns an die Freude über die Erlösung zu erinnern?

Es gibt auch unter uns Christen Menschen,
die vergessen,
dass ein wahrer Christ ein Mensch der Freude ist?

Doch – so sagte es Papst Franziskus bei einer Predigt –
„das sind keine Christen,
sie maskieren sich als Christen.

… sie haben keine Freude“.

Dabei haben wir Christen,
doch allen Grund zur Freude!

Gott hat uns als seine Kinder angenommen
und durch seinen Sohn Jesus Christus erlöst.

Wir dürfen glauben und erfahren,
dass Gott barmherzig ist und verzeiht.

Wir dürfen erleben,
dass er uns segnet und begleitet.

Wir dürfen erfahren,
dass er auf uns zu kommt,
ohne unsere Vorleistung abzuwarten.

Wir haben allen Grund zur Freude.

Und würden wir nicht glaubwürdiger sein,
wenn die Menschen diese Freude sehen könnten?

Hat nicht Friedrich Nietzsche recht mit seiner Bemerkung
„Erlöster müssten sie mir aussehen, die Christen,
damit ich an ihren Erlöser glaube“?

Auch Papst Franziskus hat das deutlich gemacht,
wenn er bei einer Begegnung mit Seminaristen und Novizen sagte:

„Wenn Du einen Seminaristen,
einen Priester, eine Schwester, einen Novizen
mit einem langen Gesicht siehst,
traurig,
als ob jemand eine pitschnasse Decke auf sie geworfen hätte,
eine von den richtig schweren…

Das zieht dich doch selber mit runter…

Da stimmt doch was nicht!

Ich bitte euch:
Niemals Schwestern und Priestern mit Sauergurkengesicht,
niemals!“

Und bei derselben Gelegenheit
zeigte der Papst einen Weg auf,
wie man zu einer echten christlichen Freude kommt:

„Die wahre Freude kommt nicht von den Dingen,
nicht vom Haben, nein!

Sie entsteht in der Begegnung,
in der Beziehung zu anderen,

im Spüren, dass man angenommen ist,

wenn man verstanden, geliebt und angenommen wird,

im Verstehen
und im Lieben.

Und das nicht aus irgendwelchen Interessen,
sondern weil der andere oder die andere eine Person ist.

Die Freude entsteht aus der Absichtslosigkeit einer Begegnung!

Wenn man sich sagen hört:
„Du bist für mich wichtig!“
– nicht unbedingt nur in Worten!: Das ist schön!

Und genau das hat uns Gott klar gemacht:

Wenn Gott euch ruft, spricht er.
“Du bist wichtig für mich, ich mag dich.
Ich zähle auf dich!“

Jesus sagt das zu jedem einzelnem von uns!

Genau hier entsteht Freude.

Die Freude über den Augenblick, da Jesus mich anschaut.

Das zu verstehen und zu spüren,
ist das Geheimnis unserer Freude.“

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Frohe Botschaft dieses Sonntags
will uns an diese Freude erinnern.