Der Festtag begann am späten Vormittag mit einem Wortgottesdienst, den die Pfarrer Martin Schnirch und Hermann Fink vor der ganzen Seminar- und Schulgemeinschaft leiteten. Pfarrer Fink, einer der Vorgänger des Seminardirektors Schnirch, war zwischen 1981 und 1988 für die Einrichtung verantwortlich und damit auch 1984, als die Seminarkirche geweiht wurde.
Von Pfarrer Schnirch interviewt, äußerte sich Pfarrer Fink sehr persönlich über seine langjährige Verbundenheit mit St. Matthias. Sie nahm ihren Anfang, als er 1958 nach einer Berufsausbildung nach Waldram kam, um 1962 das Abitur abzulegen. Nicht ohne Stolz ließ er dabei einfließen, dass St. Matthias im Schuljahr 1960/61 mit 196 Seminaristen den Höchststand der Schülerzahl verzeichnet habe.
Pfarrer Fink sprach anschließend über die Umstände des Umbaus der Seminarkirche im Jahr 1984, den der Architekt Josef Hamberger leitete. Der ursprüngliche Plan, einen separaten Bau an der Bettingerstraße zu errichten, sei schnell zugunsten der Überlegung fallen gelassen worden, die bisherige Aula, also den Raum, in dem jetzt Gottesdienst gefeiert wird, umzugestalten. Er zeigte auch den genauen Ort, wo er damals in diesem Raum die Abiturprüfung geschrieben hatte.

Als größte Herausforderung habe sich dabei die akustische Trennung des neuen Gotteshauses von der unmittelbar angrenzenden Pfarrkirche erwiesen, die beide durch eine durchgehende Decke miteinander verbunden waren.
Anhand der Bilder der damaligen Kirchweihe durch Kardinal Wetter erläuterte Fink die Riten, die zur Konsekration einer Kirche gehören: Mit dem Chrisam-Öl salbt der Bischof jeweils die Stelle an der Wand, an der die 12 Apostelkerzen ihren Platz haben, und den Altar, in den Reliquien eingelassen werden. Dazu gehört auch der Ritus, dass der Bischof mit seinem Hirtenstab das lateinische und griechische Alphabet vor dem Altar auf den Boden zeichnet.

In seiner bewegenden Predigt bezog sich der ehemalige Seminardirektor auf die Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Korinther (1 Kor 3, 9-17):
Paulus bezeichnet die Kirche als den Tempel Gottes. Das Wort „Kirche“ meint aber gleichzeitig das Gebäude und die Gemeinschaft der Gläubigen. Christus ist das Fundament des Baus und hat den Grundstein dafür gelegt. Seine Mitarbeiter und Nachfolger haben die Aufgabe, auf dieser Grundlage weiterzubauen. Das sei der Ausgangspunkt der Tradition der Kirche. Fink betonte aber, dass Tradition bewahren nicht heißt, jede Veränderung auszuschließen. Hinter das II. Vatikanum gebe es kein Zurück.

Christus bildet also die Mitte der christlichen, lebendigen Gemeinde, wie der gesalbte Altar die des Baus aus Steinen. Von den Worten des Apostels abgeleitet, ist das Amt des Priesters daher als Dienst an der Gemeinde zu verstehen. Der Priester ist Werkzeug Gottes und gleichzeitig Bestandteil der Gemeinde. Das zeige sich in der Seminarkirche besonders gut an der runden Anordnung der Bänke, die mit dem Stuhl des Gottesdienstvorstehers einen vollständigen Kreis bildet.
Weiter hob Fink hervor, dass die Taufe die höchste Weihe sei, die ein Christ erhalten kann. Dadurch seien alle Christen in gleicher Weise geheiligt. Von dieser Gnade erfüllt, komme dem Christen als wesentliche Aufgabe zu, die Liebe Christi in der Welt sichtbar zu machen. Und wenn derzeit die Kirche in mancherlei Hinsicht kein gutes Bild abgebe, dann mag dies zu einem Teil an der mangelnden Ausstrahlung der Liebe Christi unter den Christen liegen.

Am Schluss des Gottesdienstes bedankte sich Fink dafür, bei diesem Jubiläum dabei sein zu dürfen und schloss mit der Feststellung „Waldram ist spitze.“
Dann trafen sich alle Schüler, Lehrer und Mitarbeiter im Foyer der Schule, wo die Mitarbeiterinnen in der Hauswirtschaft für das leibliche Wohl gesorgt hatten.

Am Nachmittag wurde zunächst der schulische Alltag fortgesetzt.
Weiterer Höhepunkt des Tages war der Festgottesdienst mit Friedrich Kardinal Wetter am späten Nachmittag. Dazu konnte der Seminardirektor den Architekten Josef Hamberger und auch zahlreiche Gäste aus der Pfarrei St. Josef der Arbeiter begrüßen.

Kardinal Wetter legte in seiner Predigt den Schwerpunkt auf den Gedanken, dass das Leben des Menschen eine ständige Suche sei, dass wir uns auf dem Weg befinden. Seine Richtung aber sei nicht vorgezeichnet. Kafka stellt dazu lapidar fest: „Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.“ Kardinal Wetter empfahl jedoch, bei der Suche unseres Lebensweges die Anregung Edith Steins zu beherzigen, „an der Hand des Herrn“ zu gehen und uns von ihm führen zu lassen.
Das Vertrauen in die Begleitung Gottes in den Höhen und in den Tiefen unseres Lebens leiten Christen von den Worten Christi am Ende des Matthäus-Evangeliums ab: „Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt.“ Zuversicht gibt uns auch das Alte Testament, in dem sich Gott Moses gegenüber den sprechenden Namen gibt „Ich bin da“.

Der beeindruckende Festtag klang bei einem köstlichen Festessen, zu dem die Seminaristen, Mitarbeiter des Hauses und die Festgäste eingeladen waren, aus.

Thomas Erhard