Liebe Wallfahrer, liebe Schwestern und Brüder!

Die „Verklärung Jesu“ legt uns die Kirche
am zweiten Sonntag der Fastenzeit im Lesejahr A vor.

Mit dem Begriff „Verklärung“
ist es wie mit vielen in unser heutiges Deutsch überkommenen Begriffen:

Er ist missverständlich.

Ja bisweilen führen diese Begriffe in die Irre
und den Hörer auf eine falsche Fährte.

„Verkleren“ bzw. „erkleren“
hatte mittelhochdeutsch einen doppelten Sinn:

einmal „erläutern“ (=declarare),
zum anderen „erhellen“ (dilucidare).[1] 

Auf diesem Hintergrund
wird das Verständnis dessen,
was da von der Tradition auf dem Berg Tabor angesiedelt wird,
geweitet.

Es ist nicht nur ein beeindruckendes Erlebnis
und schon gar nicht irgendetwas entrücktes,
was da geschieht.

Bekannte Exegeten haben diesem Text Überschriften wie
„Die Verwandlung des Gottessohnes“
oder
„Die Vorwegnahme der Vollendung“ gegeben.[2]

Sie zeigen so,
dass das Geschehen,
das die drei Jünger auf dem Berg erlebt haben,
in einen größeren Zusammenhang gestellt ist.

Es zeigt uns mehr über Jesus.

Wenn wir uns die ganze Szenerie noch einmal vor Augen stellen:

Jesus führt Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes
auf einen hohen Berg (vgl. Mt 17,1).

Bei jeder Pilgerfahrt,
die ich ins Heilige Land unternehme,
gehört ein Besuch auf dem Berg der Verklärung
zu einem festen Bestandteil.

Der Berg Tabor ragt aus der ansonsten flachen Jesreel-Ebene,
der fruchtbarsten Zone des heutigen Israel heraus
und jedes Mal,
wenn ich dorthin komme,
bin ich froh,
dass ich mit dem Auto hinauffahren kann,
denn zu Fuß wäre das sicher eine äußerst mühsame Sache.

Der Aufstieg auf den Berg.

– Mühe aufwenden müssen.

Es bedeutet schon eine Anstrengung,
wenn man mehr über Jesus erfahren will,
wenn man dem wahren Antlitz Jesu begegnen will.

Geistlich gesprochen ist eine Begegnung mit Jesus
meist verbunden mit Anstrengung für den Gläubigen.

Doch diese Mühe lohnt sich.

Es ist wie bei einer Wallfahrt und wie im übrigen Leben.

Nicht immer kann man mit einem so kurzen Weg
wie wir ihn heute zurückgelegt haben rechen.

Das Leben ist oft hart.

Auch das Leben eines Gläubigen.

Auch das Glaubensleben birgt Anstrengung:

Den inneren Schweinehund überwinden,
die eigen Trägheit ablegen,
den Kampf mit der Bettdecke,
die mich vom Morgengebet abhält,
zu gewinnen versuchen.

Mir Zeit zum Gebet,
zur Schriftbetrachtung,
zur Tagesreflexion nehmen.

Und dann auch noch die ganze Sache
mit der Liebe zum Nächsten,
die Jesus uns anschafft.

Das kann unter Umständen schon
eine gehörige Anstrengung bedeuten.

Doch was die Jünger auf dem Berg dann geschenkt bekommen,
das ist
– im Nachhinein betrachtet –
die Mühe wert.

Sie bekommen gezeigt,
dass Jesus noch weit mehr ist,
als sie bisher von ihm verstanden hatten.

ER ist das wahre Licht,

ER ist die wahre Sonne,
die nicht untergeht.

ER ist der
von allen alttestamentlichen Propheten angekündigte
Messias.

Mose und Elija
stehen stellvertretend für die Propheten des alten Bundes.

Und schließlich bekommen sie zu hören:

„Das ist mein geliebter Sohn,
an dem ich Gefallen gefunden habe;

auf ihn sollt ihr hören.“ (Mt 17,5b)

Das haut sie im wahrsten Sinn des Wortes um.

Und sie geraten in heftige Furcht.

– Ja es gibt Begegnungen mit Jesus,
die einen umhauen,

die einen aus den alten Gleisen werfen,

die einen nicht nur sprachlos machen,
sondern Furcht hervorrufen.

Die Einheitsübersetzung
übersetzt das griechische „ἐφοβήθησαν σφόδρα“ undeutlich
mit „sie bekamen große Angst“.

Dem Griechischen näher ist:
„sie gerieten in heftige Furcht“[3]

„Furcht“ entwickelt der Mensch aufgrund eines konkreten Ereignisses.

„Angst“ dagegen
ist eine Befindlichkeit des Menschen,
die ihn meist dauerhaft tiefer und stärker bestimmt.

„Angst“ ist eher ein generellerer Zustand.

Der „ängstliche Mensch“ hat seine Ängste auch,
wenn gerade nichts Furchterregendes vor im steht.

Doch als die Jünger in Furcht geraten,
da tritt Jesus auf sie zu.

Er berührt sie.

Fasst sie an,
so wie er es sicher im täglichen Umgang mit ihnen immer getan hat.

Und er sagt ihnen
wie so oft:
– wieder korrekter übersetzt –
„Steht auf und fürchtet euch nicht!“[4]

Nun sehen sie Jesus wieder ganz „normal“.

So,
wie sie ihn vorher auch gekannt haben.

Und er steigt mit ihnen wieder in die „Niederungen“
des alltäglichen Lebens hinab.

Er verbietet ihnen,
jemandem zu erzählen was sie gesehen und erlebt haben,
bis zu seiner Auferstehung.

Erst dann wir ihnen klar werden,
was sie erlebt haben.

In der Tat ist unser ganzer Glaube,
das ganze Evangelium,
nur aus der Sicht von Ostern zu verstehen.

Doch bis dahin
geht Jesus mit ihnen mit
in ihrem Alltag,
der sicher weit weniger spektakulär verläuft
als das,
was sie da gerade erlebt haben.

Auch das ist eine Botschaft dieses Evangeliums.

Es gibt „Highlights“
auch in der religiösen Erfahrung.

Aber eben auch das alltägliche Leben.

Einer meiner Organisten
hat mich als Pfarrer in der Sakristei vor der Messe immer gefragt:
„Gibt es heute etwas besonderes?“

Er meinte damit sicher,
ob außer dem „Gewöhnlichen“ etwas Spezielles sein wird.

Ich habe ihm fast immer geantwortet:
„Nur Jesus,
sonst nichts!“

Ich wollte damit sagen:
Auch,
ja vor allem
im alltäglichen Leben,
ist Jesus gegenwärtig.

Wenn wir heute diese Wallfahrt erleben,
dann dürfen wir vielleicht einen Höhepunkt,
eine Ermutigung für unseren Glauben erleben.

Wir dürfen uns in unserem Glauben stärken
und dann wieder in den Alltag hinuntersteigen

mit dem Wissen:
Auch im alltäglichen Leben
ist Jesus immer mit uns.


[1] Zitat aus: http://www.perikopen.de/Lesejahr_A/2Fast_A_Mt17_1-9_Wussow.pdf, Seite 7

[2] vgl. ebd.

[3] vgl. ebd. Seite 6

[4] vgl. ebd.