Erzbischof Reinhard Marx besucht das Spätberufenenseminar mit Gymnasium und Kolleg St. Matthias in Wolfratshausen-Waldram Nach nur 80 Tagen im neuen Amt nutzte der neue Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, den 81. Geburtstag von Papst Benedikt XVI. am 16. April 2008, ‚sein’ Spätberufenenseminar St. Matthias zu besuchen. Das dichte Programm sah zu Beginn einen feierlichen Gottesdienst in der Seminarkirche vor, an dem nicht nur die gesamte Seminar- und Schulfamilie, sondern auch zahlreiche Gäste aus der Pfarrei St. Josef der Arbeiter teilnahmen. In seiner Begrüßung verlieh Marx seiner Freude Ausdruck, schon zu Beginn seiner Amtszeit Waldram besuchen zu können: „Ich habe zwar im nächsten halben Jahr eine umfängliche Agenda ‚abzuarbeiten’, aber St. Matthias liegt mir sehr am Herzen, und ich bin heute morgen gerne zu diesem erfreulichen Termin gekommen.“ Als Konzelebranten standen ihm zur Seite: Seminardirektor und Hausherr Pfarrer Martin Schnirch, Domkapitular Msgr. Lorenz Kastenhofer (als Seminarreferent schon ‚Teil von Waldram’), dessen Vorgänger Domdekan i.R. Dr. Gerhard Gruber, Spiritual Pfarrer Gerhard Beham sowie der Ortsgeistliche Pfarrer Elmar Heß. In erster Linie sprach Erzbischof Marx die jungen Männer im Spätberufenenseminar St. Matthias an, das 1927 von Kardinal Faulhaber gegründet wurde. „Aber auch die vielen externen Schülerinnen und Schüler liegen mir sehr am Herzen, sind sie doch Beweis, dass ein christliches Wertefundament heute mehr denn je eine große Anziehungskraft besitzt.“ Und neben dem Bildungsziel Abitur stehe die Frage nach dem Lebensziel im Mittelpunkt: „Nicht Sich-leben-lassen ist hier die Devise, sondern selbstbestimmt leben.“ Von Gott reden könne man nur, wenn man seinen Kopf angestrengt, zu denken gelernt habe. „Deshalb hat Luther das Wort ‚Synagoge’ auch mit ‚Schule’ übersetzt.“ Der neue Erzbischof faszinierte die Gläubigen durch sichere Wortwahl, eine gehörige Prise Humor, klare Positionierung und kraftvolle, lebendige Bilder, etwa wenn er auf das Beten zu sprechen kommt: „Kompetenz des Betens zu verlieren ist genau so schlimm wie das Artensterben, sogar noch schlimmer.“ Er sei stolz auf das lange, familiäre Miteinander von Lehrenden und Lernenden, und alles andere als technikfeindlich ruft er Jung und Alt zu: „Glückliches Leben lernt man nicht am PC, sondern in der Gemeinschaft, im lebendigen Miteinander im Alltag.“ Und zum Stichwort ‚Glauben’ konstatiert Marx: „Der christliche Glaube ist etwas anderes als die Fortsetzung der Religion mit anderen Mitteln.“ Im Blick auf Schule und Ausbildung betonte der Erzbischof nicht nur einmal die gemeinsamen Wurzeln sowie das gemeinsame Wirken von Judentum und Christentum. Und fügt am Ende seiner Predigt, die völlig frei und ohne Manuskript gehalten wurde, verschmitzt hinzu: „Und vielleicht trifft man an dieser Schule auch den Partner fürs Leben – wenn man nicht Seminarist ist!“ In der ‚alten’ Schulaula wurde der neue Erzbischof mit dem Lied „Freut euch alle“ empfangen. Schulleiter Claus Pointner freute sich nicht nur über den raschen Besuch: „Heute feiern wir mit Ihrem Hiersein Premiere – in diesem Raum war noch nie ein Erzbischof.“ Im ‚Zentrum der Schule’, wo auch beim Abitur geschwitzt wird, versprach er dem Erzbischof: „Mit der allgemeinen Hochschulreife erhalten die jungen Menschen nicht nur viel Faktenwissen, sondern auch eine fundierte christliche Herzensbildung.“ Und damit Marx St. Matthias auf keinen Fall vergisst, bekam er gleich drei Präsente: Den inzwischen schon „legendären Schul-Kugelschreiber“, ein Exemplar des aktuellen Jahresberichts und, als passionierter Genussraucher, eine ganz edle Zigarre. „Jetzt lernt von mir bloß nicht auch noch die Laster“, konterte Marx und schob nach: „Menschen sind wie Autos – Laster sind schwer zu bremsen.“ Im Blick auf katholische Schulen favorisiert Marx ein ganzheitliches Menschenbild, in dem die Logik des Marktes („die es geben muss“) nicht das ganze Leben beherrschen dürfe: „Wir müssen die Natur gestalten, damit ein ‚Garten’ daraus wird“. Und im Blick auf die jüngste Stammzellendebatte warnte er: „Unser Wohlstand darf uns nicht dazu verleiten, unverzichtbare christliche Werte über Bord zu werfen.“ Die Kirche brauche Zeugen des Evangeliums, die man eben nicht kaufen könne. Und eine Schule wie St. Matthias müsse diese Flamme des Glaubens am Leben erhalten, die Fackel weiterreichen. Ausgangs- und Endpunkt müsse die Frage sein: Wie finden wir die Menschen, die den rechten Weg des Glaubens mitgehen, führen, leiten: „Ein Buch lesen können, den Tag strukturieren können – das zeigt uns die christlich-jüdische Tradition.“ Denn schließlich seien Christen die Vorhut – nicht die Nachhut. Und das Vater unser werde noch gebetet werden, wenn MTV, BILD und SPIEGEL schon lange verschwunden sind.“ Claus Pointner formulierte als Fazit, was alle nur dachten: „Dieser Bischof ist ein Ereignis!“ Dieter Klug