Am 9. Dezember versammelte sich nach Einbruch der Dunkelheit eine Gruppe von Besuchern um Seminaristen und Lehrer des Seminars St. Matthias mit Gymnasium und Kolleg. Die Seminaristen hatten zusammen mit Seminardirektor Pfarrer Martin Schnirch, der die Madonna aus dunklem Holz zur Verfügung stellte, eine aufwändige Lichtinstallation aufgebaut. Unter dem Titel „In welche Welt wird von Maria Jesus, der Heiland und Erlöser, geboren?“ sprachen zwei Seminaristen ein alternatives Krippenspiel.Maria, lichtumkränzt, thront über einem Globus, der unseren ‚blauen Planeten‘ darstellt. Allerdings liegt dieser Globus in einem Stacheldrahtknäuel, der Platz für das Christkind bietet. Als Maria das Kind in den Stacheldraht legen will, beginnen die zwei ‚Sprecher‘ miteinander zu kämpfen. Sprecher 1 (Christoph Kopitzki) ruft laut „Leg das Kind nicht in den Stacheldraht! Dieses Kind gehört nicht in diese Welt. Dort herrscht Krieg. Die Menschen bekämpfen sich, beschießen sich, bringen sich um.“ Sprecher 2 (Martin Brenninger) übernimmt den Part des Glaubens an den (guten) Menschen, macht den Menschen Hoffnung: „Diese Welt braucht das Kind des Friedens. Kinder hassen nicht, sie bringen niemand um. Kinderaugen sind Augen des Friedens. Wer soll denn sonst mit dem Frieden anfangen?“
Die Beiden kämpfen, ringen miteinander mit Worten, der eine schreit, der andere beruhigt, und Maria steht im Lichterschein dabei, wartet ab. Sprecher 1 beharrt darauf, das Kind nicht in diese ‚stachelige‘ Welt zu legen, doch Nummer 2 beharrt darauf, es ruhig in diese Welt, in diesen Stacheldraht zu legen: „Dieses Kind ist die Hoffnung der Welt.“  Der Endkampf mutet wie der Zweikampf zwischen Gut und Böse, zwischen Gott und Teufel an: Beide Sprecher beharren auf ihrer Position – doch das Gute siegt: „Dieses Kind ist der wirkliche Mensch. Der neue Mensch. Leg dieses Kind ruhig in diese Welt. Dieses Kind ist wirklich Mensch und wirklich Gott. Die Welt braucht dieses Kind.“
Wenige Tage später brannten in Verra die bereits fertiggestellten Unterkünfte für Flüchtlinge, für Asylbewerber, zogen Tausende Anhänger von PEGIDA durch Dresden. Täglich werden es mehr, überall im Land, und man muss sich fragen, ob diese stummen Marschierer wirklich wissen, was sie tun. Es liegt in unser aller Händen, wie die ‚Geschichte‘ ausgeht, ob das Kind im Stacheldraht abgelegt werden darf, werden soll.
Doch niemals darf vergessen, verdrängt werden, dass die Welt dieses Kind braucht!
Das ‚Waldramer Advents-fenster‘ von St. Matthias jedenfalls ist dazu angetan, uns nachhaltig den einzig wirklichen Sinn von Weihnachten nahe zu bringen – egal ob Christ, Jud oder Muselman, um mit dem großen deutschen Dichter Gotthold Ephraim Lessing zu sprechen.

Dieter Klug

Quelle: Isar-Kurier, Nr. 51, vom 18.12.2014, S. 26