131 v. Chr. hielt der Konsular Caecilius Metellus als Censor im Senat eine Rede, in der er sich herablassend über die Frauen geäußert und in der Folge die Männer vor der Ehe gewarnt hat. Der Schriftsteller Gellius hingegen kann im 2. Jh. n. Chr. feststellen, dass die Annehmlichkeiten der Ehe bei weitem gegenüber dem Alleinsein überwiegen.
Mit dieser widersprüchlichen Beschreibung des Ansehens der Frau begann Dr. Marion Giebel ihren Vortrag, der einen Überblick über die Entwicklung der Stellung der Frau in der römischen Gesellschaft bieten sollte.
Die Autorin Marion Giebel, bekannt als Übersetzerin antiker lateinischer Texte und als Verfasserin von Lebensbeschreibungen römischer Persönlichkeiten, wie Augustus, Seneca oder Ovid, war am Montag, den 22. April, zu Gast in St. Matthias. Ihrem aufschlussreichen und erfrischenden Vortrag hörten die Latein-Schülerinnen und Schüler aus der Qualifikationsphase gespannt zu.
Die Referentin stellte eine ganze Reihe von Frauengestalten der römischen Geschichte vor, angefangen mit Lukretia am Ende der Königszeit, die als vorbildliche Ehefrau zuhause sittsam Wolle spann, während ihr Mann mit seinen Freunden zechte, bis zu den hochgebildeten Frauen in der Spätantike, die dem Kirchenvater Hieronymus nahe und ihm möglicherweise als Ratgeberinnen bei der Übersetzung der Bibel zu Rate standen.
Sie erklärte die Zusammenhänge um das unerhörte Verhalten der Frauen in Rom, die demonstrierend auf die Straßen gingen, als 195 v. Chr. die Abschaffung der „Lex Oppia“ auf der Tagesordnung des Senats stand.
Im ersten Jahrhundert zeigte vor allem das Beispiel der Julia, die ihr Vater Caesar mit Pompeius verheiratete, dass Hochzeiten bei den Patriziern oftmals nur der Festigung politischer Allianzen dienten. Lukan konnte daher später mutmaßen, dass dem Staat die Katastrophe des Bürgerkrieges möglicherweise erspart geblieben wäre, wenn Julia nicht in jungen Jahren im Kindsbett gestorben wäre.
Auf die Wünsche der jungen Patrizierinnen, die teilweise schon im Kindesalter verlobt wurden, nahm ein Vater, der politische Interessen hegte, also gewöhnlich keine Rücksicht.
Die Schwester Catos des Jüngeren, Porcia, ist in den Augen der Römer deswegen hervorzuheben, weil sie mit ihrem Selbstmord einen „virilis animus“ bewies.
Diesen Vorbildern stehen die Tochter des Augustus, Julia, und seine Enkelin gleichen Namens entgegen. Sie hintertrieben durch ihre wechselnden Beziehungen mit Männern die Politik der moralischen Erneuerung des Kaisers, so dass Augustus sie in die Verbannung schicken musste.
Im 1. Jh. v. Chr. hatte sich in der Oberschicht eine lockere Form der Eheschließung durchgesetzt, die die Frau nicht in die „Gewalt“ des Mannes übergehen ließ. Diese „emancipatio“ machte sie zu einer Person eigenen Rechts, so dass sie über ihr Vermögen selbstständig verfügen konnte. Auch Scheidungen waren so leichter möglich.
Eine besondere Stellung nahmen die vestalischen Jungfrauen ein. Sie lebten zwar in einer klosterähnlichen Anlage am Südrand des Forums abgeschieden von der Öffentlichkeit, erfüllten aber wichtige öffentliche Aufgaben und genossen daher ein hohes Ansehen.
In der späten Kaiserzeit wird von Frauen berichtet, für die philosophische Bildung eine große Rolle spielte und wir hören auch von frommen Frauen, wie Egeria, die im 4. Jh. ins Heilige Land reiste und deren Pilgerbericht noch erhalten ist.
Am Ende ergab sich demnach ein vielschichtiges Bild von der Rolle der Frau in Rom, das auch unter dem Vorbehalt steht, dass wir zu diesem Thema ganz überwiegend nur über literarische und epigraphische Zeugnisse verfügen, die das Leben der Frauen nur aus der Sicht der Oberschicht widerspiegeln.
Thomas Erhard