Liebe Schwestern und Brüder!
Ich habe mich schon oft gefragt,
was die Menschen an Papst Franziskus so begeistert.
Manche suchen die Antwort
im Vergleichen mit seinen Vorgängern.
Das ist nicht nur unfair,
sondern hilft auch nicht wirklich die Frage zu beantworten:
Was begeistert die Menschen ausgerechnet an Papst Franziskus?
Eine neue Botschaft verkündet er nicht.
Was er sagt,
– so sind manche bemüht, ständig zu erklären –
liegt voll in der Linie seiner Vorgänger.
Ja manchmal habe ich sogar den Eindruck,
dass er die Inhalte,
die die Kirche immer schon vorgestellt hat,
noch krasser ausdrückt.
Was begeistert also die Menschen an Papst Franziskus?
Eine Antwort auf diese Frage könnte sich zeigen,
wenn wir die Gestalt betrachten,
die heute im Mittelpunkt des Evangeliums steht:
Johannes der Täufer.
Mitten in der Wüste von Juda,
am Jordan,
steht dieser Mann und verkündet:
„Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.“ (Mt 3,2)
Und den Pharisäern und Sadduzäern,
die zu ihm kommen,
wirft er an den Kopf:
„Ihr Schlangenbrut,
wer hat euch denn gelehrt,
dass ihr dem kommenden Gericht entrinnen könnt?
Bringt Frucht hervor, die eure Umkehr zeigt,
und meint nicht, ihr könntet sagen:
Wir haben ja Abraham zum Vater.
Denn ich sage euch:
Gott kann aus diesen Steinen Kinder Abrahams machen.“ (Mt 3,7ff)
Johannes der Täufer ist also gewiss kein Schmeichler.
„Unter allen, die von einer Frau geboren wurden,
ist keiner größer als Johannes der Täufer.“ (Mt 11,11)
So wird Jesus später im Matthäusevangelium über ihn sagen.
Johannes der Täufer ist also ein echter
großer
Mann.
Was macht ihn denn zu einem echten
großen
Mann?
Er tut sich nicht zusammen mit denen,
die in seiner Zeit als die Großen gelten.
Er lebt nicht in einem Palast.
Vielmehr lebt er in der Wüste.
In einer Umgebung,
die ihm nicht immer wohl gesonnen ist.
Er lebt außerhalb der Gesellschaft (1).
Er scheint nicht angewiesen auf Streicheleinheiten,
darauf, anderen zu gefallen,
ein harmonisches Leben zu führen.
Er isst nicht die Speisen der Gesellschaft,
sondern Heuschrecken und wilden Honig,
die Nahrung der Ausgestoßenen,
der Randgruppen.
Er trägt nicht die gängige Mode,
wie sie in Jerusalem „in“ ist.
Sein Kleid ist aus Kamelhaar.
Johannes der Täufer ist,
wie es Pater Richard Rohr in seinem gleichnamigen Buch schreibt,
ein „wilder Mann“.
Kein Chauvinist,
kein Macho,
kein Draufgänger,
aber auch kein harmloser Softie,
keiner, der tut oder sagt,
was die Anderen gern hören wollen.
Sein Auftreten ist klar
und man spürt,
dass dieser Johannes der Täufer ein ECHTER Mann ist.
Er hat eine klare Botschaft,
die er ohne Abstriche verkündet.
Nicht er selbst oder seine Lebensweise ist die Botschaft,
sondern der Fingerzeig auf Jesus Christus hin.
Matthias Grünewald hat dies
in der Kreuzigungsgruppe auf den Isenheimer Altar
mit einem überdimensional großen Finger
deutlich sichtbar gemacht.
Mit diesem Finger
zeigt der Wilde Mann
Johannes der Täufer
auf den gekreuzigten Christus
Und dabei steht:
„dieser muss wachsen,
ich aber geringer werden“.
Johannes der Täufer ist der,
der als überzeugende und beeindruckende Gestalt,
als echtes Original,
von sich weg
auf Jesus Christus weißt.
Männer wie IHN braucht die Kirche.
Liebe Brüder und Schwestern!
Meine Anfangsfrage war:
Was begeistert die Menschen an Papst Franziskus?
Der Blick auf Johannes den Täufer
gibt mir die Antwort:
Es ist seine ganze Existenz.
Er ist ein GANZER Mann.
Ein ECHTER Mann.
Und genau diese Echtheit,
diese Originalität im besten Sinne,
sehen die Menschen auch bei Papst Franziskus.
Liebe Brüder!
Mir,
der ich als Mann in der Kirche arbeite
und der sich in die Nachfolge Christi stellen möchte
und der hier und heute zu Ihnen spricht,
zu ihnen,
die sie vielleicht auch überlegen, in die Nachfolge Christi zu treten,
stelle ich die Frage:
Ihnen und Mir:
Bist Du ein GANZER Mann?
Bist Du ein ECHTER Mann?
Dass die Dinge,
die ihnen vielleicht bei dieser Frage als erstes durch den Kopf schießen, nicht damit gemeint sind,
brauche ich nicht näher erläutern.
Aber es sei doch die Frage erlaubt,
die Herbert Grönemeyer in seinem bekannten Lied gestellt hat:
„Wann ist der Mann ein Mann?“
Und ich möchte Sie und mich noch weiter fragen:
Bist DU ein MANN?
Nicht ein Macho oder Feldwebel,
aber auch kein Muttersöhnchen oder Pantoffelheld.
Bist DU ein MANN?
Ein Mann,
der beherzt etwas anpackt,
auch wenn es nicht einfach wird?
Ein Mann,
der aufsteht,
auch wenn er mal keine Lust hat?
Ein Mann,
der sich aufmacht,
auch auf Unbekanntes hin?
Ein Mann,
der nicht nur die ersten Schritte macht,
sondern auch weiter geht, wenn es Gegenwind gibt?
Ein Mann,
der von sich weg
hin auf Christus zeigt?
Ein Mann,
der nicht schmeichlerisch den Leuten Honig ums Maul schmiert,
sondern der mutig zu dem steht,
was er geprüft und als seine Botschaft erkannt hat?
Kurzum:
Ich frage Sie und mich:
Bist DU ein MANN,
wie Johannes der Täufer?
Solche Männer sind es nämlich,
die begeistern
und die die Welt und die Kirche heute braucht.
(1) vgl. Richard Rohr, Der Wilde Mann, S.41ff
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