Freilicht-Lernort

Gymnasium und Kolleg Sankt Matthias schaffen unter dem Titel “Waldram-Philharmonie” ein Klassenzimmer im Grünen. Weitere Ideen für Umweltprojekte liegen bereits in der Schublade

Vielleicht werden sie noch in 30 Jahren Trauben und Apfel ernten können, die Schüler des Gymnasiums und Kollegs Sankt Matthias Waldram. Weinpflanzen und Apfelbäume bilden den natürlichen Rahmen des Klassenzimmers im Grünen im Hof der Schule. Am Donnerstag wurde es feierlich eröffnet.
Damit fand ein Projekt seinen Abschluss, das eine ganze Schulgemeinschaft über zwei Jahre beschäftigt hatte. Besonderes Engagement zeigte dabei das “Umweltteam“ unter Leitung von Hans Bobe, Lehrer für Chemie und Biologie. 23 Schüler, Lehrer und Hausangestellte, haben in ihrer Freizeit daran gearbeitet, dass heute die Waldramer Philharmonie, kurz ,,Walphi“, als Unterrichtsort, aber auch für Konzerte genutzt werden kann. Das Projekt ist Teil einer Reihe von Aktionen, die von der Erzdiözese München unterstützt werden unter dem Motto ,,Kirchliche Schulen übernehmen Schöpfungsverantwortung“. Bereits 18 Schulen beteiligen sich daran.
Wie aus diesem Vorhaben Wirklichkeit wird, ließ sich am Sommerfest der Schule sehen. Die Waldramer Philharmonie ist für Schüler und Lehrer ein Ort, an dem sich neue Perspektiven eröffnen. Wer im stickigen Klassenzimmer Gleichungen löst, sich über die Lichtbrechung Gedanken macht oder Klopstocks “Zürchersee“ liest, verliert dabei oft aus den Augen, dass diese Inhalte ihre Bedeutung erhalten, weil sie zwei Dinge miteinander verbinden: Mensch und Natur. Die “Walphi“ ermöglicht es, diesen Zusammenhang präsent zu machen.
Für alle am Projekt Beteiligten spielte daher der Aspekt  “Nachhaltigkeit und Dauer“ eine große Rolle. Das Klassenzimmer im Grünen ist kein Informationsstand, der nach kurzer Zeit ausgedient hat und spurlos verschwindet. Es bietet auch künftigen Schülergenerationen die Möglichkeit, sich im Schatten seines Sonnensegels Gedanken zu machen über den Rahmen des Kerncurriculums hinaus. Der Anspruch, etwas Dauerhaftes geschaffen zu haben, zeigt sich auch in der architektonischen Gestaltung. Die Steinblöcke aus heimischem Jurakalk wurden im Halbmond angeordnet, ähnlich den Theatern der klassischen Antike. Dass sich Nachhaltigkeit auch durch die Verwurzelung in der Region ausdrückt, betonte Bobe in seiner Begrüßung. Nicht nur die Steine seien regionalen Ursprungs, für die Obstbäume im Hintergrund wurde auf Pflanzen aus dem Umland zurückgegriffen.
Für Johanna Büntig, Schülerin an Sankt Matthias, war es neben den Umweltaspekten wichtig, etwas Praktisches zu machen. Deshalb hat sie sich im Umweltteam der Schule eingebracht. Zur praktischen Umsetzung eines solchen Projekts gehört auch die Organisation der Finanzierung. Um die insgesamt 18 000 Euro aufbringen zu können, mussten Sponsoren angeworben werden, eine Aktivität, die im regulären Schüleralltag nicht vorkommt. Auch hier konnten die Schüler Verantwortung übernehmen mit Unterstützung der Lehrkräfte.
Fritz Schnaller (SPD), Zweiter Bürgermeister der Stadt Wolfratshausen, drückte seinen Respekt für diese Gemeinschaftsleistung aus, für die Phantasie der Beteiligten und das sichtbare Ergebnis. Die Waldramer Schule sei mittlerweile so schön geworden, „da würde ich selbst gerne nochmal anfangen“, sagte Schnaller. Anselm Kirchbichler, Leiter des diözesanen Projekts, zeigte sich zuversichtlich, dass die “Walphi“ auch nach ihrer Fertigstellung dazu beitragen werde, “Gleichgültigkeit abzubauen“ gegenüber Umweltthemen. Daran knüpfte Hans Bobe in seinem Schlusswort an. In Sankt Matthias bestehe kein Mangel an Ideen, wie man Eigenverantwortlichkeit gegenüber der Umwelt praktisch umsetze. Zum Beweis zeigte er eine Schublade, gefüllt mit von Schülern und Lehrern eingebrachten Vorschlägen, etwa zur Kultivierung von Bienenvölkern oder zur Reinigung mit effektiven Mikroorganismen. Der Tatendrang der Schulgemeinschaft ist groß.
Von der Idee bis zur Fertigstellung vergingen zwei Jahre. Mit der Eröffnung des Freiluftklassenzimmers ist das Projekt abgeschlossen. Doch die ,,Walphi“ bleibt und wird noch viele Schüler daran erinnern, dass ökologisch verantwortungsbewusstes Handeln nur dem möglich ist, der sein Verhältnis zu Natur und Umwelt kennt.

Paul Schäufele

Quelle: Süddeutsche Zeitung, Nr. 154, 7./8. Juli 2018, Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, S. R8