Abiturverleihung in St. Matthias: Schüler nutzen Rede für Kritik – Rektor: “Kein Jahrgang wie jeder andere”

Beim Blick in die volle Aula stutzte Schulleiter Ralf Wiechmann scherzhaft. ,,Wegen der ‚days for future’-Demos habe ich nicht damit gerechnet, dass alle heute hier sind.” Einige junge Frauen und Männer des Gymnasiums und Kollegs St. Matthias in Waldram hatten sich an den freitäglichen Klima-Protesten beteiligt. Wiechmann hielt die Anwesenheit bei der Verleihung der Abiturzeugnisse für die bessere Entscheidung: „Ich kann mir kaum einen Freitag vorstellen, der mehr ,for future’ ist, als dieser.”
Trotz aller Vorfreude auf die Zukunft wagten zwei Absolventen, Eduard Schweighardt und Valerie Schlott, auch einen Blick zurück. Sie sparten neben harmlosen Frotzeleien über Lehrkräfte nicht an teilweise heftiger Kritik. In einem Sketch, in dem sich die beiden zur Besprechung ihrer Abschlussrede trafen, plauderten sie über die vergangenen Jahre an der Lehreinrichtung. „Wir könnten über die Abifahrt sprechen“, lautete ein Vorschlag von Schlott. Ein schwieriges Unterfangen – die Reise fand nämlich nie statt, ebenso wie eine ursprünglich geplante Bildungsfahrt nach Rom. „Ich fand besonders schön, dass wir so viele Reisen gemacht haben“, erinnerte sich Schlott mit beißendem Sarkasmus. Schweighardt kommt beim Rückblick auf die Schulzeit als erstes der Samstagsunterricht in den Sinn. Dann fällt ihm ein: „Gottesdienste, gefühlt jede Woche.”

Poetisch fassten die beiden Absolventen in einem Gedicht ihre Kritik zusammen. „Früher war St. Matthias ein toller Ort, diese Atmosphäre ist nun fort.“ Dann zählten sie mehrere Gründe dafür auf: unter anderem Sparzwänge der Schule und die brandschutzbedingte Schließung eines Gebäudeteils, in dem sich ein Aufenthaltsraum für die Schüler befand. Immerhin: ,,Das wichtigste, was die Schule uns gegeben, sind Freundschaften – und die sind fürs Leben”, dichtete Schlott zum Abschluss. Rektor Wiechmann trug die Kritik mit Fassung. Das Geschenk, dass die Schüler ihm überreichten – ein Set Anti-Stress-Bälle – nahm er wortlos in Empfang.
Einen der Bälle knetete er demonstrativ vor seiner Ansprache. „Dieser Schule wird etwas fehlen, wenn dieser Jahrgang sie verlässt“, sagte er, unter anderem auch der ,,Mut, Kritik zu äußern“. In der Rede der Schüler – in der Regel ein versöhnlicher und heiterer Rückblick auf schöne Zeiten – vermisste er jedoch Selbstkritik. Schließlich sei der Jahrgang „keiner wie alle anderen gewesen“. Er nutzte die Kritik als Steilvorlage für seine eigentlich vorbereitete Rede. In dieser griff er einen Vorschlag auf, Schüler in Bayern weniger Faktenwissen als viel mehr Medienkompetenz zu vermitteln.

Wissen könne man ja einfach von seriösen Quellen im Internet abrufen. Aber das sieht Wiechmann anders: ,,Man muss Wissen besitzen, um seriöse Quellen von anderen zu unterscheiden.“ Außerdem – er spielte auf den Sketch an – „muss man sich über Hintergründe auskennen, wenn man etwas kritisieren möchte, zum Beispiel zum Thema Brandschutz“.

Abschließend richtete einen versöhnlichen Blick in die Zukunft. „Sie bringen die besten Voraussetzungen für Bildung mit”, sagte er. Er wäre  „sehr froh“, den einen oder anderen Schüler als Gast in der Schule begrüßen zu dürfen. Dann entließ er die 25 Schüler mit dem Abiturzeugnis in die Freiheit.

Dominik Stallein Quelle: Isar-Loisachbote, Nr. 148, 29/30. Juni 2019, Lokales S. 3