Schon der Namenspatron war ein Spätberufener. Das erzbischöfliche Seminar St. Matthias im Wolfratshauser Stadtteil Waldram ist nach dem Heiligen benannt, der laut christlicher Überlieferung dem Verräter Judas als zwölfter Apostel Jesu nachgefolgt ist. Dafür noch nicht nötig war damals ein bayerisches Abitur, wie es heutige geistlich oder auch nur schulisch etwas später Berufene seit 1957 in Waldram erwerben können. Seit Beginn des laufenden Schuljahres und nach zwei Jahren Bauzeit tun das die rund 160 Waldramer Kollegiaten und Gymnasiasten in einem neuen Schulgebäude, das der Münchner Erzbischof Reinhard Marx am Montag nun persönlich in aller Form eingeweiht hat.
In seiner Predigt in der mit aktuellen und früheren Schülern, Lehrern, geistlichen Würdenträgern und weltlichen Honoratioren voll gefüllten Waldramer Pfarrkirche bezeichnete der Kardinal Schule als „ein zutiefst kirchliches, biblisches, christliches Projekt, das sich am einzelnen Menschen orientieren und ihm helfen müsse, seine Fähigkeiten und Möglichkeiten zu entfalten. Die Kirche müsse sich in die aktuellen Bildungsdebatten einmischen – auch mit einem Projekt wie Sankt Matthias mit seinen kleinen Klassen und der Wertschätzung des Einzelnen statt pädagogischem Massenbetriebs. Marx unterstrich den Wert der Freiheit ebenso wie den des Glaubens und der Vernunft als entscheidenden Orientierungshilfen in einer offenen Gesellschaft.
Nach dem vom Kardinal mit mehreren weiteren Geistlichen zelebrierten Gottesdienst schritten die Feiernden in einem kurzen Festzug zum nahen neuen Schulgebäude, das Marx als Ganzes ebenso weihte wie die 20 hellen Holzkreuze, die einige Schüler daraufhin in die lichten Klassenräume brachten. Statt Grußworte gab es in Sankt Matthias einige von zwei Schülern moderierte Doppelinterviews mit geistlichen wie weltlichen Bildungsfunktionären. Landrat Josef Niedermaier, Bürgermeister Helmut Forster, dem Architekten Wilfried Claus und Schulleiter Claus Pointner, bei denen viel von Dankbarkeit und Stolz die Rede war. Am Sonntag, 23 Oktober, stehen im neuen Schulhaus die Türen für alle Nachbarn und anderen Gäste offen.
kpf
Quelle: Wolfratshauser SZ, Nr. 240, 18. Oktober 2011, S. R3