Liebe Schwestern und Brüder!
Wo soll man bei diesem inhaltsreichen Evangelium anfangen?
Es stecken viele Predigten in diesem Text.
Man könnte über Jesus sprechen,
der das lebendige Wasser ist,
der uns,
ja der ganzen Welt das Leben schenkt.
Man könnte darüber sprechen,
dass das Heil von den Juden kommt,
dass unsere Quelle das Alte Testament ist
und dass es in Jesus Christus seine Vollendung findet.
Man könnte darüber predigen,
was es bedeutet, Gott wahrhaft anzubeten.
Man könnte über den Willen Gottes sprechen,
den zu tun die Speise Jesu
und auch unsere Speise ist.
Ich lade Sie heute ein,
sich noch einmal die ganze Szene,
die uns das Johannesevangelium da schildert,
vorzustellen.
Und ich bitte Sie auf das zu schauen,
was Jesus tut.
Es ist der absolute Fauxpas,
was Jesus da am Jakobsbrunnen
in der Nähe des samaritischen Dorfes Sychar tut:
Nicht nur dass er als Mann in aller Öffentlichkeit
das Gespräch mit einer Frau sucht.
– Das war im Orient der Antike
mindestens genauso unanständig,
wie es das heute
in streng islamischen Ländern immer noch ist.
Er spricht auch noch eine Samariterin an.
Das sind die,
die – aus jüdischer Sicht – dem falschen Glauben anhängen.
Die deshalb unrein sind
und mit denen man keinen Umgang haben darf.
Und noch dazu bittet Jesus diese Unreine
um etwas zu trinken.
Ist schon das Gespräch mit dieser Frau ein NO GO.
Aber von dieser Unreinen auch noch Wasser zum Trinken zu verlangen,
das geht ja überhaupt nicht.
Was die angefasst hat ist unrein
und das zu sich zu nehmen
macht ebenfalls unrein.
– Frau,
– falscher Glaube,
– Unrein.
Undenkbar was Jesus da tut.
Und dennoch führt das,
was sich aus dieser Begebenheit
im vierten Kapitel des Johannesevangeliums
ergibt
am Ende zur Bekehrung einer stattlichen Anzahl von Menschen
zum Glauben an Jesus Christus
und dazu,
dass diese Menschen zu ihm sagen :
„Bleib doch bei uns, Herr!“
Was hier geschieht, erinnert mich
an Papst Franziskus.
An das,
was er sichtbar vormacht
und an das,
wozu er seit dem Vorkonklave unermüdlich ermahnt und ermuntert:
Zu den Rändern der Gesellschaft zu gehen.
Für die Armen da zu ein.
Und keine Angst
vor der Berührung mit den Menschen zu haben,
auch wenn die eine andere Überzeugung
und einen anderen Glauben haben.
Der Heilige Vater wird nicht müde zu betonen,
dass eine Kirche, die das tut,
missionarisch ist.
Das Geschehen am Jakobsbrunnen zeigt uns auf,
wie Mission,
wie Werbung für den Jesus Christus geht.
Jesus selbst macht es uns vor.
Müde von der Reise bittet er die Frau um Hilfe.
Er steht zu seiner Schwachheit.
Und als sie sich auf das Gespräch einlässt,
über das sie selbst verwundert ist,
da hat Jesus keine Scheu,
ihr zu sagen wer er ist.
Deutlich aber zugleich nicht penetrant
verkündet er seine Botschaft,
ohne allerding einen dogmatischen Bauchladen
belehrend vor sich her zu tragen.
Offensichtlich versteht die Frau nicht alles,
was Jesus sagt.
Aber die menschliche Begegnung ist stärker.
Dabei ist es kein seichtes Geplänkel
oder nur der Austausch von Förmlichkeiten
die in dieser Begegnung stattfinden.
Ja mit großer Klarheit und Zielstrebigkeit
spricht Jesus nicht nur über sich,
sondern auch über die schwierigen Fragen
im Leben der samaritischen Frau.
Die erkennt,
dass es Jesus nicht darum geht,
sie anzugreifen,
mit ihr zu streiten
oder gar über sie zu urteilen.
Durch die Menschlichkeit und die Klarheit,
mit der Jesus ihr begegnet,
erkennt die Frau,
dass da einer ist,
der ihr wirklich etwas zu sagen hat.
Dass da einer ist,
der weit mehr ist als nur ein durstiger Fremder
auf dem Weg.
Und so geschieht an ihr selber das,
was Jesus ihr vorher bildhaft beschrieben hat:
Das Wasser,
das Jesus ihr gibt,
– sein gutes Wort
– sein Eu-Angelion
wird in ihr zur sprudelnden Quelle (vgl. Joh 4,14).
Die Samariterin
wird durch die Begegnung mit Jesus
selbst zu einer Missionarin,
die auch Andere zu IHM führt.
„Viele Samariter aus jenem Ort
kamen zum Glauben an Jesus
auf das Wort der Frau hin…“ (Joh 4,39)
Wer hätte anfangs gedacht,
dass aus dieser Frau,
die ja nicht einmal eine gläubige Jüdin war,
eine so eifrige Verkünderin Jesu werden würde?
Bewirkt hat das Jesus
durch das,
was er die Frau am Brunnen hat erleben lassen.
Wenn wir uns heute fragen,
wie wir Menschen für Christus gewinnen können,
dann können wir aus dieser Begebenheit,
aus dem was Jesus uns hier aufzeigt,
einige Tipps mitnehmen:
Zur eigenen Schwäche und Bedürftigkeit stehen
und sie sehen lassen.
Nicht selten empfinden die Menschen
die Kirche und die Verkünder des Evangeliums
als Leute, die Macht über sie ausüben wollen
oder meinen, ihnen überlegen zu sein.
Die Menschen
mit ihren Problemen und Fragen anhören und ernstnehmen.
Nicht selten fühlen sich die Menschen heute
von der Kirche und ihren Vertretern
nicht ernstgenommen.
Nicht selten erscheint die Verkündigung
als eine Ansammlung von Wahrheiten,
die an der Lebenswirklichkeit vieler Menschen vorbei gehen.
Die Klarheit und die Wahrheit des Evangeliums nicht verstecken,
aber dabei nicht vergessen,
dass es sich um eine Frohe Botschaft handelt.
Nicht selten haben die Menschen den Eindruck,
dass Verkündigung seicht und dünn ist,
mit wenig Substanz.
Und ebenso
scheint nicht selten die Freude am Evangelium
hinter der Wahrheit
– oder der angeblichen Wahrheit
versteckt zu werden.
Liebe Schwestern und Brüder!
Mit dem Evangelium lädt uns Jesus ein,
missionarisch zu sein.
Mit seiner Begegnung mit der Samariterin am Jakobsbrunnen zeigt er uns,
wie das geht.