Liebe Brüder und Schwestern!
Ist es nicht unerträglich was Jesus hier sagt?
Müssten wir nicht schon längst der Hölle verfallen sein,
wenn schon unser Urteil „gottloser Narr“
gegenüber einem Anderen dazu führt?
Und sind wir ehrlich:
Müsste nicht jedem
mindestens schon die rechte Hand
oder das rechte Auge fehlen,
wenn wir ganz befolgen würden was Jesus hier sagt?
„Wenn dich deine rechte Hand zum Bösen verführt,
dann hau sie ab und wirf sie weg!“ (Mt 5,30)
Und wenn „dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt,
dann reiß es aus und wirf es weg!“ (Mt 6,29)
Ich frage mich:
wieso sagt Jesus das?
Passt das zu all dem was er sonst erzählt hat?
Kann man das so befolgen?
Müsste man das nicht UM-schreiben?
Manchmal sind wir modernen Christen in der Gefahr
die deutlichen Worte des Evangeliums umzuschreiben.
Aber es steht uns nicht zu,
die Schärfen und Spitzten aus den Reden Jesu weg zu deuten.
„Reiß das Auge aus,
hau die Hand ab!“
sind die eindeutigen Forderungen Jesu.
Also los!
Her mit dem Beil,
für alle, die das Evangelium ernst nehmen? ——
Gleichzeitig war die Kirche immer dagegen,
dass Menschen sich verstümmeln.
Und sie ist auch dagegen,
dass Menschen, die etwa einen Diebstahl begangen haben,
die Hand abgehackt wird.
Wie kann man also dieses drastische Evangelium verstehen?
Es geht Jesus um die Klarheit, um die Entschiedenheit.
„Euer Ja sein ein Ja, euer Nein ein Nein;
alles andere stammt vom Bösen.“ (Mt 5,37)
Es geht nicht um ein Urteil Anderen gegenüber,
sondern um die Klarheit uns selbst gegenüber.
All die Forderungen Jesu
sind eindeutig so formuliert,
dass Jeder und Jede die sie hören
über das eigene Leben, Denken und Handeln nachdenken muss.
Und dass sich Jeder und Jede selbst
nach der eigenen Entschiedenheit und Klarheit fragen muss.
Die Frage nach der Entschiedenheit und Klarheit
gipfelt schließlich in dem Satz
„Euer Ja sein ein Ja,
euer Nein ein Nein;
alles andere stammt vom Bösen.“ (Mt 5,37)
Jesus hat hier sicher im Blick,
dass es im menschlichen Leben
auch Punkte gibt,
wo es einen klaren Schnitt erfordert.
Nicht einen Schnitt durchs Handgelenk,
aber sicher einen Schnitt
durch unser eigenes Verhalten.
Nützt es etwa einem Alkoholiker,
ein bisschen weniger zu trinken, um trocken zu werden?
Kann etwa ein Drogenabhängiger clean werden,
wenn er ein bisschen weniger Drogen nimmt?
Oder wird ein Gewalttätiger etwa friedlich,
wenn er nur ab und zu nicht mehr zu schlägt?
Es gibt im Leben die Notwendigkeit,
in bestimmten Bereichen
einen Schnitt zu machen.
Leider ist es häufig so, dass wir das erst verstehen,
wenn wir mit der Nase richtig im Dreck liegen.
Ich habe das bei Jugendlichen erlebt,
die in der Droge waren:
Erst als sie ganz unten waren,
haben sie verstanden,
dass sie einen Schnitt machen müssen.
Einen Schnitt durch ihre bisherigen Verhaltensmuster.
Aber der Schnitt allein reicht nicht aus.
Der Mensch muss erleben,
dass der Schnitt zu einem Fortschritt hilft.
Er muss spüren,
dass sich durch den Schnitt sein Leben wandelt und verbessert.
Ich habe das an vielen Beispielen sehen können
in einer Einrichtung für drogenabhängige Jugendliche.
Fazenda da esperanza – Bauernhof der Hoffnung
heißen diese Einrichtungen.
Da kommen Jugendliche,
nicht nur aus christlichem Hintergrund,
aber mit der Erkenntnis,
dass sie in ihrem Leben in Sucht und Abhängigkeit
einen Schnitt machen müssen.
Für ein Jahr verzichten sie auf alles was abhängig machen kann: Alkohol, Zigaretten, Internet, Telefon
auch auf Kontakt mit dem anderen Geschlecht
und sie lernen durch ein bewusstes Leben nach dem Evangelium,
dass das Leben einen großen und tragenden Sinn
für jeden Einzelnen hat.
80% dieser Jugendlichen schaffen es
auf Dauer von der Droge weg zu bleiben.
Manchmal braucht es einen klaren Schnitt.
Aber auch für die,
die keine Probleme mit Drogen haben,
für alle Menschen
und für Jeden und Jede von uns
braucht es eben auch Klarheit und Entschiedenheit:
„Euer Ja sein ein Ja,
euer Nein ein Nein;
alles andere stammt vom Bösen.“ (Mt 5,37)
Jesus tritt eindeutig
gegen die Selbstzufriedenheit und die Selbstgerechtigkeit ein.
Schon zu Beginn sagt er
„Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist
als die der Schriftgelehrten und Pharisäer,
werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“ (Mt 5,20)
Es geht ihm um nichts weniger,
als dass wir ins Himmelreich kommen.
Wer in das Himmelreich kommen will,
der muss sich ehrlich anschauen,
sich realistisch beurteilen
und sich auch kritisch fragen lassen:
Wieso hast Du,
bei Deinem Verhalten
noch alle Augen und alle Hände?
Welche Schnitte sind in Deinem Leben nötig?
In radikaler Weise
fordert Jesus die Hörer des Evangeliums heraus und zeigt,
dass wir,
wenn wir ihm nachflogen wollen,
uns von der Wurzel her
vom innersten her anders verhalten müssen,
als es die Besserwisser und die Selbstgerechten tun.
Und dass wir uns trauen müssen,
in manchen Punkten einen Schnitt zu machen.
Jesus weiß, dass die Menschen,
dass Jeder und Jede von uns
schwache Menschen sind.
Das ist so.
Doch meine ich,
dass uns dieses radikale Evangelium
letztlich dazu auffordern will,
alles Gott hinzuhalten:
Ihm auch den Zorn über unsere Mitmenschen,
auch die lüsternen Gedanken,
auch die bösen Blicke,
auch die Handgreiflichkeiten
auch unsere Abhängigkeiten
und alles andere Negative
IHM zu schenken,
damit ER etwas daraus machen kann.
Das Erste, was wir dazu tun müssen
und was wir immer wieder neu tun müssen
ist:
Hin stehen,
uns ehrlich anschauen
und Gott mit unserer kleinen Kraft
und unserem kleinen Willen sagen:
Ja, Gott, ich will zu Dir gehören.
Ja, Gott, ich will Deine Gebote erfüllen.
Ja, Gott, ich will Deine Worte,
die Worte des Evangeliums, in die Tat umsetzen.
Ja, Gott, ich will da, wo es nötig ist,
einen Schnitt machen
und neu anfangen,
weil Du noch etwas viel Größeres für mich bereit hältst.
Ja, Gott, hilf mir in meiner Schwachheit.
Amen.